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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Schriftzug Senators auf der Brust und der zu hoch sitzenden Kappe mit dem S auf seiner geliebten Trainerbank saß, die Arme lässig über die staubigen Balken gelegt, während sich der Schweiß in seinen Achselhöhlen sammelte. Den rechten Fuß auf der untersten Holzstufe, den linken auf dem Betonsockel, riss er in einer einzigen Bewegung die Kappe vom Kopf, wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn und setzte die Kappe wieder auf. Sein Gesicht glühte an diesen späten Frühlingsabenden, besonders wenn Ken mitspielte. Er hatte das Team zusammen mit Mr Bertillo und Mr Horowitz betreut, seinen beiden besten Freunden, seinen alten Bierkumpanen, die beide schon mit knapp sechzig Jahren an Herzinfarkten gestorben waren, und als ich mich jetzt neben ihn setzte, wusste ich, dass er das Klatschen und die Anfeuerungsrufe noch in den Ohren und den Geruch des Little League -Lehms noch in der Nase hatte.
    Er sah mich an und lächelte. »Weißt du noch, wie deine Mom geschiedst hat?«

    »Gerade so, glaub ich. Wie alt war ich da? Vier?«
    »Ja, irgend so was.« Er schüttelte den Kopf, lächelte immer noch und dachte an die Vergangenheit. »Das war der Höhepunkt ihrer feministischen Phase. Sie hatte all diese T-Shirts mit Politslogans. Auf denen stand FRAUEN GEHÖREN INS HAUS. INS ABGEORDNETENHAUS und solches Zeug. Du musst bedenken, dass Mädchen erst Jahre später in der Little League mitspielen durften. Irgendwie hatte deine Mom damals gehört, dass es keine Schiedsrichterinnen gab. Sie hat in den Regeln nachgesehen und festgestellt, dass das nicht verboten ist.«
    »Also hat sie sich angemeldet.«
    »Genau.«
    »Und?«
    »Na ja, die Honoratioren haben Anfälle bekommen, aber Regeln waren Regeln, und da konnte man nichts machen. Also haben sie sie schiedsen lassen. Probleme hatte sie dann aber trotzdem noch genug.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel war sie der schlechteste Schiedsrichter der Welt.« Wieder lächelte Dad. Dieses Lächeln hatte ich lange nicht mehr gesehen, es gehörte so sehr zur Vergangenheit, dass es mir wehtat. »Sie kannte die Regeln kaum. Außerdem hat sie, wie du weißt, ziemlich schlecht gesehen. Ich weiß noch, wie sie in ihrem ersten Spiel den Daumen hochgestreckt und Safe gerufen hat. Bei fast jeder Entscheidung hat sie sich einmal um die eigene Achse gedreht. Als hätte Bob Fosse die Choreographie gemacht.«
    Wir glucksten und ich sah förmlich, wie er sie auf dem Feld beobachtete und bei ihren theatralischen Gesten halb verlegen, halb fasziniert abwinkte.
    »Sind die Trainer dabei nicht übergeschnappt?«

    »Klar. Aber weißt du, was die League gemacht hat?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie haben sie mit Harvey Newhouse zusammengesteckt. Erinnerst du dich noch an ihn?«
    »Klar, sein Sohn ist mit mir zur Schule gegangen. Er war früher Profi-Footballer.«
    »Genau. Bei den Rams Offensive Tackle. Harvey muss an die drei Zentner gewogen haben. Also hat er sich ans Mal gestellt, und deine Mutter war fürs Feld zuständig, und immer, wenn ein Trainer sich zu sehr aufgeregt hat, hat Harvey ihm einen strengen Blick zugeworfen, und der Trainer hat sich wieder hingesetzt.«
    Wir glucksten noch einmal und verstummten dann langsam, als wir uns beide fragten, wie eine so überschäumende Seele hatte verlöschen können – und zwar schon lange vor Beginn der Krankheit. Schließlich sah er mich an. Seine Augen wurden groß, als er die Prellungen sah.
    »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Ist nicht weiter schlimm«, sagte ich.
    »Bist du in eine Schlägerei geraten?«
    »Mir geht’s gut. Ehrlich. Ich muss mit dir reden.«
    Er schwieg. Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte, doch das übernahm Dad dann selbst.
    »Zeig’s mir«, sagte er.
    Ich sah ihn an.
    »Deine Schwester hat heute Morgen angerufen. Sie hat von dem Foto erzählt.«
    Ich hatte es noch dabei. Ich zog es aus der Tasche. Er legte es so behutsam in seine Hand, als fürchtete er, es zu zerbrechen. Er sah es an und sagte: »Mein Gott.« Seine Augen wurden feucht.
    »Du hast es nicht gewusst?«, sagte ich.
    »Nein.« Wieder sah er das Foto an. »Deine Mutter hat nichts
davon gesagt, bis …« Ich sah, wie sich seine Miene verdunkelte. Seine Frau, die ihr Leben an seiner Seite verbracht hatte, hatte ihm etwas vorenthalten. Und das tat weh.
    »Da ist noch was«, sagte ich.
    Er sah mich an.
    »Ken hat in New Mexico gelebt.« Ich gab ihm einen kurzen Abriss von dem, was ich erfahren hatte. Dad hörte ruhig und gefasst zu, als

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