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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Beerdigung. Was hätten wir auch sonst tun sollen? Ich saß da, konnte die Augen nicht von der fremden Toten abwenden, konnte nicht sprechen. Ich war überwältigt und zitterte am ganzen Leib, doch das fiel niemandem auf. Schließlich war es eine Beerdigung.

    Als der Sarg in der Erde verschwunden war, bat Edna Rogers uns zu sich nach Hause. Wir entschuldigten uns und schoben die Schuld auf den engen Flugplan. Dann verschwanden wir in unserem Mietwagen. Squares ließ den Motor an. Wir warteten, bis wir außer Sichtweite waren. Dann fuhr Squares rechts ran und ich durfte die Fassung verlieren.

    »Mal sehen, ob wir uns so weit einig sind«, sagte Squares.
    Ich nickte, schon beinahe gefasst. Wieder musste ich meine Gefühle im Zaum halten – diesmal die mögliche Euphorie dämpfen. Ich konzentrierte mich nicht auf das große Ganze oder dergleichen. Ich konzentrierte mich auf die Details, die Kleinigkeiten. Ich betrachtete einen einzelnen Baum, weil ich den ganzen Wald nicht ertragen hätte.
    »Alles, was wir über Sheila herausgefunden haben«, sagte er, »dass sie durchgebrannt ist, dass sie jahrelang auf der Straße gelebt, Drogen verkauft, mit deiner früheren Freundin zusammengewohnt und ihre Fingerabdrücke in der Wohnung deines Bruders hinterlassen hat – das war alles …«
    »Diese Fremde, die wir gerade beerdigt haben«, beendete ich den Satz für ihn.
    »Also hat unsere Sheila, ich meine, die Frau, die für uns Sheila war …«
    »Nichts dergleichen getan. Und sie ist auch nichts dergleichen gewesen.«
    Squares überlegte. »Verstellung«, sagte er dann.
    Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ganz eindeutig.«

    Im Flugzeug sagte Squares: »Wenn unsere Sheila nicht tot ist, dann lebt sie.«

    Ich sah ihn an.
    »Hey«, sagte er, »manche Leute zahlen viel Geld dafür, sich im Licht solcher Weisheiten sonnen zu dürfen.«
    »Welche Ehre, dass sie mir gratis zuteil wird.«
    »Also was jetzt?«
    Ich verschränkte die Arme. »Donna White.«
    »Das Pseudonym, das sie von den Goldbergs gekauft hat?«
    »Genau. Deine Leute haben doch nur bei den Fluggesellschaften gesucht?«
    Er nickte. »Wir wollten feststellen, wie sie in den Westen gekommen ist.«
    »Kann deine Detektei die Suche jetzt ausweiten?«
    »Klar, wieso nicht?«
    Die Stewardess reichte uns unseren »Snack«. In meinem Gehirn ratterte es. Dieser Flug tat mir unendlich gut. Er gab mir Zeit zum Nachdenken. Leider gab er mir auch Zeit, die Realität zu vergessen und zu überlegen, welche Auswirkungen das haben könnte. Ich kämpfte dagegen an. Ich wollte nicht, dass die Hoffnung mein Denken vernebelte. Noch nicht. Nicht, solange ich erst so wenig wusste. Aber immerhin.
    »Das erklärt einiges«, meinte ich.
    »Was denn so?«
    »Ihre Geheimniskrämerei. Dass sie sich nicht hat fotografieren lassen. Dass sie so wenig Sachen hat. Dass sie nicht über ihre Vergangenheit reden wollte.«
    Squares nickte.
    »Einmal ist Sheila …«, ich hielt inne, weil sie vermutlich gar nicht so hieß, » … ist ihr rausgerutscht, sie sei auf einer Farm aufgewachsen. Aber der Vater der echten Sheila Rogers hat für eine Firma gearbeitet, die automatische Garagentoröffner herstellt. Sie hatte auch eine Heidenangst davor, ihre Eltern anzurufen  – weil es schlicht und einfach nicht ihre Eltern waren. Ich
dachte, das beruht alles auf einer traumatischen Vergangenheit.«
    »Aber es konnte natürlich genauso gut heißen, dass sie untergetaucht war.«
    »Genau.«
    »Die echte Sheila Rogers«, fuhr Squares fort und sah dabei an die Decke, »also die, die wir gerade beerdigt haben, war also mit deinem Bruder zusammen?«
    »Sieht so aus.«
    »Und ihre Fingerabdrücke waren am Tatort.«
    »Genau.«
    »Und deine Sheila?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Okay«, sagte Squares. »Wir gehen also davon aus, dass die Frau, die mit Ken in New Mexico war und die die Nachbarn gesehen haben, die tote Sheila Rogers war?«
    »Ja.«
    »Und sie hatte ein kleines Mädchen dabei«, fuhr er fort.
    Stille.
    Squares sah mich an. »Denkst du das Gleiche wie ich?«
    Ich nickte. »Das kleine Mädchen muss Carly gewesen sein. Und Ken könnte ihr Vater sein.«
    »Genau.«
    Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Squares öffnete seinen Snack, musterte den Inhalt und verwünschte ihn.
    »Will?«
    »Ja?«
    »Die Frau, die du geliebt hast. Hast du irgendeine Ahnung, wer sie war?«
    Ohne die Augen zu öffnen, sagte ich: »Nicht die leiseste.«

50
    Squares ging nach Hause. Er hatte versprochen, mich sofort

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