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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wirklich, er würde sie beschützen.
    Ab jetzt musste sie noch vorsichtiger sein.
    Ihre Kehle war trocken. Sie wollte etwas trinken, aber das Schlucken tat ihr immer noch weh. Sie fragte sich, wann das alles wohl vorbei wäre. Aber sie würde nicht lockerlassen. Das hatte sie sich versprochen. Es gab kein Zurück, bis Julies Mörder auf die eine oder andere Art Gerechtigkeit widerfahren war.
    Sie wandte sich nach Süden zur 18th Street und dann Richtung Westen in den Meatpacking-District. Jetzt herrschte gerade Flaute, nachdem die Tagesbesucher gegangen waren und das perverse Leben nach Mitternacht noch nicht angefangen hatte. So war die ganze Stadt – ein Theater, in dem jeden Tag zwei gänzlich unterschiedliche Stücke liefen. In den Pausen wurden die Requisiten, die Bühnen und sogar die Schauspieler ausgewechselt. Aber ob Tag oder Nacht, selbst in der Abenddämmerung roch diese Straße immer nach faulem Fleisch. Der Gestank war nicht auszumerzen. Katy wusste nicht, ob er von den Menschen oder von den Tieren stammte.
    Da war die Panik wieder.
    Sie blieb stehen und versuchte, sie zu verdrängen. Wie sich
diese Hände um ihren Hals gelegt hatten, wie sie mit ihr gespielt hatten, ihre Luftröhre nach Belieben losgelassen und zugedrückt hatten. So viel Macht gegen so viel Hilflosigkeit. Er hatte ihr die Luft zum Atmen genommen. Das musste man sich mal vorstellen. Er hatte ihren Hals umklammert, bis sie nicht mehr atmete, bis ihr Lebensfunke zu erlöschen drohte.
    Genau wie bei Julie.
    Sie war so in die grauenhafte Erinnerung versunken, dass sie seine Gegenwart nicht bemerkte, bis er sie am Ellbogen packte. Sie fuhr herum. »Was …?«
    Der Ghost ließ sie nicht los. »Ich habe gehört, du hast nach mir gerufen«, schnurrte er. Und lächelnd fügte er hinzu: »Also, hier bin ich.«

51
    Ich saß da. Katy war mit vollem Recht sauer auf mich. Aber mit ihrer Wut konnte ich leben. Viel besser als mit noch einer Beerdigung. Ich rieb mir die Augen. Ich legte die Füße hoch. Vielleicht bin ich eingeschlafen – genau weiß ich es nicht –, doch als das Telefon klingelte, stellte ich jedenfalls überrascht fest, dass es Morgen war. Ich sah nach der Nummer des Anrufers. Es war Squares. Ich tastete nach dem Hörer, nahm ihn ab und hielt ihn ans Ohr.
    »Hey«, sagte ich.
    Er sparte sich die Begrüßungsfloskeln. »Ich glaub, wir haben unsere Sheila gefunden.«

    Eine halbe Stunde später betrat ich die Lobby des Regina Hotels.

    Es war keine zwei Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Wir hatten angenommen, dass sie ans andere Ende des Landes geflohen war, aber Sheila – wie sollte ich sie sonst nennen ? – war so nahe bei mir geblieben.
    Die Detektei, mit der Squares öfter arbeitete, hatte sie ohne große Mühe gefunden, vor allem, weil sie nach dem Tod ihrer Namensschwester unvorsichtig geworden war. Sie hatte Geld bei der First National eingezahlt und sich eine Visa-Card ausstellen lassen. In dieser Stadt kommt man ohne Kreditkarte nicht aus – ach, eigentlich geht das nirgends. Die Zeiten, in denen man sich unter falschem Namen in einem Hotel einmieten und bar bezahlen konnte, sind mehr oder weniger vorbei. Es gibt ein paar Absteigen, menschenunwürdige Behausungen, wo man vielleicht noch ein Auge zudrückt, aber überall sonst wollen sie die Kreditkarte wenigstens mal eben durch die Maschine ziehen – falls man was mitgehen lässt oder das Hotelzimmer demoliert. Die Bezahlung muss dann gar nicht unbedingt über die Karte laufen, doch ohne sie geht es nicht.
    Wahrscheinlich hatte sie sich in Sicherheit gewähnt, und das war ja auch verständlich. Die Goldbergs, die sich nur dank ihrer Diskretion über Wasser hielten, hatten ihr eine Identität verkauft. Es gab keinen Grund zu der Annahme, dass die den Mund aufmachen würden – sie hatten es ja auch nur getan, weil sie mit Squares und Raquel befreundet waren und sich außerdem mitschuldig fühlten an Sheilas vermeintlicher Ermordung. Hinzu kam, dass Sheila Rogers jetzt »tot« war und schon deshalb niemand mehr nach ihr suchen würde. Es war also ganz logisch, dass sie nicht mehr ganz so sehr auf der Hut war.
    Mit der Kreditkarte war gestern an einem Geldautomaten am Union Square Geld abgehoben worden. Von dort brauchte man nur noch die Hotels in der Umgebung abzuklappern. Detektivarbeit beruht größtenteils auf Informanten und Bestechung, was
eigentlich ein und dasselbe ist. Gute Detektive bezahlen ihre Quellen bei den Telefongesellschaften, beim

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