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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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dann raus und bringt mich her. Und jetzt kümmert sie sich um mich. Verstehen Sie, was ich meine? Sie verlängert mein Leben. Wenn ich mich weigere, zu essen, steckt sie mir einen Schlauch in den Hals. Hören Sie, ich sag Ihnen alles, was Sie wissen wollen. Aber Sie müssen auch was für mich tun.«
    »Was?«, fragte Squares.
    »Bringen Sie mich um.«
    »Ist nicht drin.«
    »Dann sagen Sie’s der Polizei. Die sollen mich verhaften. Ich gesteh alles.«
    Squares sagte: »Was ist mit Sheila Rogers passiert?«
    »Versprechen Sie’s.«
    Squares sah mich an. »Wir haben genug gehört. Gehen wir.«
    »Okay, okay. Ich erzähl’s Ihnen. Denken Sie einfach mal drüber nach, ja?«
    Er sah erst Squares, dann mich, dann wieder Squares an. Squares zeigte keine Regung. Wie mein Gesicht aussah, weiß ich nicht.

    »Ich weiß nicht, wo Sheila jetzt ist. Ach, ich weiß gar nicht richtig, was damals eigentlich gelaufen ist.«
    »Wie lange hat sie für Sie gearbeitet?«
    »Zwei Jahre. Vielleicht auch drei.«
    »Und wie ist sie da wieder rausgekommen?«
    »Hä?«
    »Sie scheinen nicht zu den Arbeitgebern zu gehören, die ihre Angestellten ermutigen, sich selbständig zu machen«, sagte Squares. »Also stellt sich die Frage, was mit ihr passiert ist.«
    »Sie ist auf den Strich gegangen, klar? Hat dann ihre paar Stammkunden gehabt. Sie war ziemlich gut im Geschäft. Und irgendwann hat sie sich dann an so ein paar große Nummern rangehängt. Kommt vor, so was. Nicht oft, kann aber mal passieren.«
    »Was verstehen Sie unter einer großen Nummer?«
    »Dealer. Die großen Drogenschmuggler, glaub ich. Sie hat angefangen, Stoff zu transportieren und auszuliefern, glaub ich. Und vor allem war sie wieder clean. Ich wollte Druck machen, aber sie hatte ’n paar wichtige Freunde.«
    »Zum Beispiel?«
    »Kennen Sie Lenny Misler?«
    Squares lehnte sich zurück. »Den Anwalt?«
    »Den Mafia-Anwalt«, korrigierte Castman. »Der hat sie verteidigt, als sie wegen Drogenbesitz festgenommen worden ist.«
    Squares runzelte die Stirn. »Lenny Misler hat eine Nutte verteidigt, die wegen Drogenbesitz angeklagt war?«
    »Verstehen Sie, was ich meine? Als sie wieder rausgekommen ist, hab ich ein bisschen rumgeschnüffelt. Wollte wissen, was da so abgeht. Plötzlich stehen ’n paar üble Schläger bei mir vor der Tür. Haben mich gebeten, Sheila zufrieden zu lassen. Ich bin ja nicht blöd, klar. Man findet immer wieder was Neues.«
    »Was ist dann passiert?«

    »Ich hab sie nie wiedergesehen. Hab gehört, dass sie aufs College gegangen ist. Kaum zu glauben.«
    »Wissen Sie, auf welches College?«
    »Nee. Ich weiß nicht mal, ob’s überhaupt stimmt. Kann auch nur ein Gerücht gewesen sein.«
    »Sonst noch was?«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »Keine anderen Gerüchte?«
    Castmans Augen wanderten hektisch hin und her. Ich sah seine Verzweiflung. Er wollte uns hier behalten. Aber mehr konnte er uns nicht erzählen. Ich sah Squares an. Er nickte, drehte sich um und ging. Ich folgte ihm.
    »Warten Sie!«
    Wir beachteten ihn nicht.
    »Bitte, Leute. Ich flehe Sie an. Ich hab Ihnen alles erzählt, stimmt’s? Ich hab kooperiert. Sie können mich doch nicht einfach so hier liegen lassen.«
    Ich dachte an seine endlosen Tage und Nächte in dem Zimmer. Und es machte mir gar nichts aus.
    »Verdammte Arschlöcher!«, schrie er. »Hey, Mann, Sie, großer Liebhaber. Viel Spaß mit dem, was ich Ihnen übrig gelassen hab, klar! Und denken Sie dran: Immer, wenn sie es mit Ihnen treibt, jedes Mal, wenn Ihnen einer abgeht – das hab ich ihr beigebracht. Hören Sie? Haben Sie mich verstanden?«
    Ich lief rot an, drehte mich jedoch nicht um. Squares öffnete die Tür.
    »Scheiße.« Castmans Stimme war jetzt leiser. »Man wird das nämlich nicht wieder los.«
    Ich zögerte.
    »Jetzt sieht sie vielleicht lieb und sauber aus. Aber von da, wo sie gewesen ist, kommt man nicht wieder zurück. Alles klar?«
    Ich versuchte, seine Worte auszublenden. Aber sie ätzten sich
in mein Gehirn. Ich verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Tanya erwartete uns in der Dunkelheit.
    »Werden Sie’s verraten?«, fragte sie undeutlich.
    Ich tu ihm nicht weh. Das hatte sie gesagt. Ich hab ihm nie etwas getan. Nur zu wahr.
    Ohne ein weiteres Wort eilten wir nach draußen und stürzten uns förmlich in die kühle Nacht. Wie Taucher, die nach einem zu langen Tauchgang wieder an die Oberfläche kamen, holten wir tief Luft, stiegen in den Bus und fuhren davon.

10
    Grand Island,

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