(K)ein Mann fuer die Liebe
Sie konnte es Hare nicht verübeln, dass auch er ihn nicht haben wollte.
âSo haben wir noch nie zusammengesessenâ, stellte er fest.
âDas stimmt, aber da bist du keine Ausnahmeâ, gab sie zu. Das war die Wahrheit, und nur Hare gegenüber konnte sie so offen sprechen. Jeder andere erlebte sie schweigend, beinahe feindlich, und abweisend â ein Schutzmechanismus, den sie seit ihrer Jugendzeit pflegte. âVielleicht wird jetzt alles anders.â
Der Tod gab allen Dingen eine plötzliche Endgültigkeit.
âWie hält sich deine Mutter?â, erkundigte sich Hare. âIst sie zur Beerdigung gegangen?â
âNeinâ, erwiderte Jolie zögernd. âNatürlich nicht. Sie hatte geplant, stattdessen um den Wanaka-See zu laufen. Vermutlich will sie sich auf diese Weise von ihm verabschieden.â
âArbeitet sie heute Abend in der Bar?â, wollte Hare wissen.
Jolie nickte. âSie hat mich gebeten, dir auszurichten, dass sie dich zu einem stillen Umtrunk einlädt. Eine Art Trauerfeier.â
âSie hat ihn sehr geliebtâ, meinte Hare gerührt. âDas wird ihr immer bleiben, auch wenn sie sonst nichts von ihm behalten kann.â
âIch weiÃ. Es ist nur â¦â Die ganze Zeit hatte Jolie versucht, gegen die Bitterkeit anzukämpfen. Aber schlieÃlich hatte sie den gesamten Nachmittag damit verbracht, alle Spuren ihrer Mutter aus dem luxuriösen Leben von James Rees zu löschen und dabei festgestellt, wie viel ihre Mutter für diesen Mann aufgegeben hatte â und was sie andererseits dafür bekommen hatte. âIch weiÃ.â
Hare konnte nichts dafür. Damals, als junger Auszubildender der Bergwacht, hatte James Rees ihn beauftragt, auf Jolie aufzupassen, während ihre Mutter mit ihrem verheirateten Liebhaber mit der Gondel auf den Berggipfel fuhr. Seither hatte Jolie wie eine Klette an ihm gehangen bis zu dem Zeitpunkt, als sie beschloss, alt genug zu sein, um auf sich selbst aufzupassen.
Hare hatte ihr das Skilaufen beigebracht, ihr die Berge gezeigt und sie immer behütet. Doch vor der harten Realität konnte selbst Hare sie nicht schützen.
Jolies Leben hatte sich von Grund auf geändert, nachdem James Reesâ Affäre mit Rachel Tanner ans Licht gekommen war. Ihre Freunde hatten sie fallen lassen, und es war ihr nie wirklich gelungen, neue Freundschaften zu knüpfen. Als dann die Jungen begonnen hatten, sich für sie zu interessieren â und das hatten sie wahrlich â musste Jolie erkennen, dass aus früheren Freundinnen plötzlich eifersüchtige Feindinnen werden konnten, die genau wussten, wie sie mit wenigen Worten jemanden tief verletzen konnten.
âBleibst du länger in Queenstown?â, wollte Hare wissen. âDeine Mutter kann dich jetzt sicherlich gut gebrauchen.â
Jolie zuckte die Schultern. âEin paar Wochen werde ich bleiben. Aber dann muss ich zurück nach Christchurch.â
âIch habe gehört, du arbeitest dort als Zeichnerin.â
âStimmt.â Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen und sich bei einer Produktionsfirma beworben, die an Spezialeffekten für Filme arbeitete. Ihr Talent war überzeugend gewesen, und so konnte sie bleiben. Die Bezahlung war gut â wenigstens etwas, worüber sie sich keine Sorgen machen musste.
âKönntest du nicht von hier aus arbeiten?â
âWarum sollte ich?â
âIch weià nicht.â Hare zögerte. Verlegen kratzte er sich am Kopf und runzelte die Stirn. âVielleicht ist es jetzt einfacher für dich, hier zu sein. Nach dem Tod von James, meine ich.â
âOh nein. Hannah ist noch hier, Cole ebenfalls. Und Jamesâ Witwe.â Die eigenbrötlerische Christina Rees. âSchlieÃlich gehört ihnen die halbe Stadt. Und sie werden niemals ein Interesse daran haben, etwas für eine Tanner einfacher zu machen.â
âEs war für keinen von euch leichtâ, gab Hare zu bedenken. âWäre jetzt nicht ein guter Anlass, die alte Feindschaft zu beenden?â
âVernünftig betrachtet, hast du natürlich rechtâ, erwiderte Jolie. âAber die Fehde zwischen den Tanners und den Reesâ hat nichts mit Vernunft zu tun.â
âDas muss doch nicht so bleiben.â
âOh doch, das wird es.â Offen und freundlich sah sie Hare an. Der groÃe, oft rau wirkende Mann war immer nett zu ihr gewesen und
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