Kein Öl, Moses
aus hygienischen Gründen verboten, den Raum um das Schwimmbecken in Sandalen zu betreten; sommerliche Fußpilzerkrankungen, fügte er erläuternd hinzu, hätten diese Maßnahme im Interesse der Badegäste notwendig gemacht.
Widerspruchslos schlüpfte ich aus meinen Sandalen und trug sie in der Hand weiter.
Wenn ich geglaubt hatte, daß damit alles in Ordnung sei, belehrte mich ein scharfer Doppelpfiff sogleich eines anderen:
»Fußbekleidungen, welcher Art immer, dürfen nicht zum Schwimmbecken mitgenommen werden, auch nicht von Hand«, instruierte mich das hochschwebende Aufsichtsorgan.
Es blieb mir nichts übrig, als meine Sandalen zurückzutragen und sie der Obhut des adretten Jünglings zu übergeben.
Auf dem Rückweg zum Schwimmbecken erreichten mich abermals Pfiff und Mahnung des Bademeisters:
»Wünschen Sie nicht vielleicht, eine Dusche zu nehmen, mein Herr?«
Seine taktvolle Frage bedeutete nichts anderes, als daß die Benützung des Schwimmbeckens ohne vorherige Säuberung verboten war.
Noch während ich unter der Dusche stand, ertönte das »Huiii-huiii« aufs neue; diesmal kam sein Erreger sogar eigens herabgestiegen und auf mich zu:
»Entschuldigen Sie, mein Herr, aber Ihre Schwimmhose macht einen übermäßig lockeren Eindruck. Bitte wählen Sie eine andere, die nicht herunterrutschen kann. Und wählen Sie bitte rasch.«
Ich riskierte die Frage, wie er denn gemerkt haben könne, daß der Gummizug meiner Schwimmhose nicht mehr ganz vorschriftsmäßig saß. Höflich erteilte mir der kundige Experte die Auskunft, daß er bereits seit fünfzehn Jahren in seinem Beruf tätig sei und einen sechsten Sinn für ausgeleierte Gummibänder entwickelt habe. Ich nickte respektvoll, begab mich zur Verleihstelle für Schwimmanzüge, sagte Schalom, bat um ein Paar Schwimmhosen mit straffem Gummizug, legte sie an, trat hervor, schlug den Weg zum Schwimmbecken ein und hörte einen schrillen, pfeifenden Ton, der wie »Huiii-huiii« klang. Es dauerte nicht lange, bis ich entdeckte, daß es der Bademeister war. Er unterrichtete mich, daß man beim Verlassen des Schwimmbecken-Areals in den Status eines Neuankömmlings versetzt werde und gut daran täte, eine Dusche zu nehmen. Ich nahm eine zweite Dusche und wollte mich nach all den Anstrengungen auf einem der ums Bassin angeordneten Liegestühle ausruhen - aber »Huiii-huiii«: es war verboten, die Liegestühle in nassem Schwimmanzug zu benützen.
Einigermaßen gedrückt schlich ich zum Büfett und erwarb ein Sandwich, mit dem ich mich in nunmehr getrocknetem Zustand auf meinem Liegestuhl stärken wollte. Auch daraus wurde nichts. Das vertraute »Huiii-huiii« brachte mir zur Kenntnis, daß jegliche Nahrungsaufnahme nur unmittelbar am Büfett gestattet war. Ein Sklave des Bademeisters scheuchte mich weg und sprühte ein Desinfektionsmittel über den von mir mißbrauchten Platz.
Um diese Zeit traten bei mir die ersten Anzeichen von Verfolgungswahn auf. Ich kroch auf allen vieren zur Schmalseite des Bassins und machte zwischen Umrandung und Wasserspiegel eine Stelle ausfindig, wo ich mich hinter einer dicken Betonsäule dergestalt verbergen konnte, daß ich nur den Himmel sah und niemand auf Erden mich. Dort fühlte ich mich verhältnismäßig sicher und schlief ein.
Es überraschte mich nicht im geringsten, durch ein schrilles »Huiii-huiii« geweckt zu werden. Die Überraschung bestand lediglich darin, daß es aus nächster Nähe an mein Ohr drang.
Er selbst stand vor mir und rüttelte mich sanft an der Schulter:
»Hier dürfen Sie nicht schlafen, mein Herr. Sie setzen sich ja der Gefahr eines Sonnenstichs aus. Gehen Sie doch ins Wasser!«
Meine Absicht, diese Aufforderung prompt zu befolgen, wurde von einem »Huiii-huiii« in meinem Rücken jäh gebremst:
»Zuerst auf die Toilette!«
»Aber ich muß ja nicht...«
»Doch, Sie müssen!«
Ich ging, blieb drei Minuten, kam heraus und wollte mich mit Anlauf ins Wasser stürzen, um einem neuerlichen »Huiii-huiii« zu entgehen - aber da hatte es mich schon erwischt. Der Bademeister winkte mich zu sich und untersuchte mich von allen Seiten, ob ich mir in der Zwischenzeit nicht vielleicht eine ansteckende Krankheit zugezogen hätte, Lepra oder dergleichen. Obwohl er nichts finden konnte, schickte er mich aufs neue unter die Dusche. Während die sanften Strahlen auf mich herniederrieselten, durchzuckte mich der Verdacht, daß ich in die Hölle geraten sei und es nicht gemerkt hatte, weil sie hygienisch getarnt
Weitere Kostenlose Bücher