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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verborgenes Parkometer stieß. Trotzdem setzte er die gefährliche Gratwanderung fort, um in die freie Welt zu gelangen. Es glückte ihm nicht. Von einem der Kämme des großen Berges stürzte er viele Klafter tief in den Abgrund und verlor das Bewußtsein. Als er erwachte, war er stocktaub. Die Fährtensucher fanden ihn, an ein zerbrochenes Kanalgitter geklammert, das er offenbar für eine Gletscherspalte hielt. Von Zeit zu Zeit jodelte er.«
    »Wieso hat man ihn überhaupt gefunden, Old Dad?«
    »Die Fährtensucher machen sich jeden Tag auf den Weg«, erklärte der Alte mit gütigem Brüllen. »Sie suchen nach einem Pfad, nach einem Paß, der uns eines Tages in die Freiheit führen könnte...«
    Auf der Ruine eines nahe gelegenen Hauses tauchten in diesem Augenblick zwei junge Fährtensucher auf, die sich an Stricken vorsichtig zur Spitze eines ragenden Schutthaufens herabließen und ein Signalfeuer entzündeten. Es stellte die letzte Verbindung des Stammes zur Außenwelt dar, seit die Brieftauben im Staub erstickt waren.
    Von einem weiter entfernten Trümmerberg antworteten Blinkzeichen: große Flamme - kleine Flamme - groß -klein - klein - groß.
    »Der Bürgermeister«, dechiffrierte Old Dad, »verspricht ... die Arbeit... zu beschleunigen...«
    Über der Enklave erschien ein amtlicher Hubschrauber. Er versorgte die Eingeschlossenen mit koscherer Verpflegung, neuen Wattevorräten und »Letzten Mahnungen« der Steuerbehörde.
    »Old Dad«, schrien die Kinder, »werden wir nie von hier wegkommen?«
    Old Dad gab keine Antwort. Er selbst, das war ihm klar, würde den Tag nicht mehr erleben. Aber den Kleinchen würde es vielleicht noch vergönnt sein, in der Untergrundbahn von Tel Aviv zu fahren. Vielleicht. Wer weiß.

Allzu sauber ist ungesund
    In einem nicht sehr weit zurückliegenden Kapitel nannte ich als Beispiele latenter Gegnerschaft die Paarungen Hund und Katze, Kritiker und Autor, Verkehrspolizist und Fahrer. Es gibt noch zwei andere Erzfeinde: Bademeister und Badegast.
    Zu dieser essentiellen Erkenntnis kam ich zwangsläufig, als ich mich vorige Woche entschloß, das in unserer Nachbarschaft neu errichtete Schwimmbad aufzusuchen. Man hatte mir Märchen aus Tausendundeiner Nacht davon erzählt: Es sei klein aber rein, werde unablässig gepflegt, den sonst üblichen Lärm gebe es dort nicht, im Gegenteil herrsche Ruhe und Ordnung, Disziplin und Hygiene, Höflichkeit und Entgegenkommen, Wasser und Luft, Sonne und Schatten. Und das wollte ich nachprüfen.
    Schon beim Eintritt konnte ich feststellen, daß die märchenhaften Schilderungen der Wirklichkeit entsprachen. Das Wasser war klar wie eine Steuerhinterziehung, man sah bis auf den Grund und auf diesem auch nicht den kleinsten Fremdkörper, nirgends ein weggeworfenes Papier oder sonstige Abfälle, überall Sauberkeit und Zivilisation.
    Auf Zehenspitzen näherte ich mich der Kasse:
    »Bitte um eine Eintrittskarte.«
    »Schalom, mein Herr«, sagte der Kassier. »Wir grüßen hier mit Schalom.«
    »Schalom«, sagte ich und wurde rot vor Scham, während ich ihm das Geld für die in geschmackvollen Farbtönen gehaltene Eintrittskarte überreichte.
    Auf dem Weg zur Kabine wurde ich durch ein ohrenbetäubendes Pfeifsignal aufgehalten. Das »Huiii-huiii« schnitt so scharf in meine Membranen, daß ich zusammenfuhr und stehenblieb.
    Es kam aus der doppelläufigen Alarmpfeife des Bademeisters.
    »Den Schwimmanzug in der Kabine anzulegen«, rief er.
    »Selbstverständlich«, antwortete ich. »Ich bin ja gerade auf dem Weg dorthin.«
    »Dann bitte etwas schneller, mein Herr, um Mißverständnissen vorzubeugen.«
    Damit wandte er sich ab und ließ von der Höhe seines Wachtturms die Blicke wieder über das Schwimmbecken wandern, einem Scheinwerfer vergleichbar, dem nichts verborgen bleibt.
    In der Kabine entledigte ich mich meiner Kleider, hängte sie auf die nagelneuen Plastikbügel und übergab sie dem jungen, adrett gewandeten Kabinenwärter, der sich mit ausgesuchter Höflichkeit an mich wandte:
    »Wollen Sie nicht lieber Ihr Hemd zuknöpfen, mein Herr? Es könnte sonst vom Träger fallen, und das wäre doch schade, nicht?«
    Dankbar befolgte ich seine Anweisung und nahm aus seiner Hand eine runde Nummernscheibe entgegen, die er mir mit den besten Wünschen für einen schönen Aufenthalt und gute Gesundheit übergab.
    Kaum hatte ich den Kabinenraum verlassen, überfiel mich abermals das schneidende »Huiii-huiii« des Bademeisters. Es sei, so ließ er mich wissen,

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