Kein Spaß ohne Hanni und Nanni
leid, aber ich kann einfach mein Heft nicht finden“, stammelte Marianne. Mit rotem Kopf tauchte sie hinter ihrem Tisch auf. Sie war sehr bestürzt.
Mamsell runzelte die Stirn. Wenn sie etwas nicht ausstehen konnte, waren es unauffindbare Hausaufgaben. Über den Rand ihrer dicken Brille sah sie Marianne zornig an. „Du kannst also dein Heft nicht entdecken, Marianne! Wie oft habe ich schon diese alberne Entschuldigung gehört, seit ich in Lindenhof bin? Tausendmal, zehntausendmal! Du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht. Gib es zu! Du bist ein schreckliches Mädchen – du ärgerst mich, seit du hier bist. Du wirst mich immer ärgern! Wenn ich die Übersetzung nicht bis zum Mittagessen vor mir liegen habe, bleibst du heute Nachmittag im Haus und gehst nicht Handball spielen.“
„Aber Mamsell, ich habe meine Hausaufgaben wirklich gemacht“, verteidigte sich Marianne mit Tränen in den Augen. „Ich kann auch mein Lehrbuch nicht finden. Es ist einfach verschwunden.“
„Diese Marianne hält immer meinen Unterricht auf“, schrie Mamsell und schüttelte böse den Kopf. „Sie verliert ihre Sachen, sie bringt dumme Entschuldigungen vor, sie gibt ungezogene Antworten – ich kann dieses Mädchen nicht ausstehen!“
„Das können wir alle nicht“, sagte Elli, die sich über Mariannes Reinfall freute. Marianne schaute wütend zu ihr hin. Ob nicht ihre Mitschülerinnen etwas mit dem geheimnisvollen Verschwinden der Schulbücher zu tun hatten?
Sie versuchte noch einmal, Mamsell zu überzeugen.
„Bitte, glauben Sie mir doch“, bat sie die Lehrerin. „Else hat gesehen, dass ich gestern die Übersetzung machte. Nicht wahr, Else?“
„Natürlich habe ich es nicht gesehen“, sagte Else boshaft.
„Wie kann ich dir denn glauben, nach all dem, was bisher vorgefallen ist?“, rief Mamsell. „Du wirst deine Hausaufgaben nun zweimal schreiben, einmal, weil du sie nicht gemacht hast – und ein zweites Mal, weil du die Unwahrheit gesagt hast!“
Marianne war verbittert. Nun würde sie während der großen Pause im Klassenzimmer sitzen müssen, um zweimal die Hausaufgabe zu schreiben, die sie längst gemacht hatte. Sie schaute ihre Mitschülerinnen an. Im Allgemeinen gab es mitleidige Blicke, wenn jemand ausgezankt wurde. Aber zu ihr sah niemand hin. Anscheinend freuten sich alle, dass dieser schreckliche Plagegeist endlich seine Strafe erhielt.
Arme Marianne! Ihre Leidenszeit war noch lange nicht vorbei. Frau Jenks bemerkte nämlich, dass die Blumen die Köpfe hängen ließen.
„Wer ist für das Klassenzimmer verantwortlich?“, erkundigte sie sich mit strenger Stimme.
„Ich“, sagte Marianne.
„Dann schau dir mal die Blumen an“, meinte Frau Jenks. „In den Vasen scheint kein Tropfen Wasser zu sein, so sieht es zumindest aus.“
„Aber ich habe doch gestern Abend frisches Wasser eingefüllt!“ Marianne war entrüstet.
Frau Jenks ging zu einer Vase, nahm die Blumen heraus und drehte die Vase um. „Nicht ein Tropfen Wasser ist drin“, sagte sie. „Wahrscheinlich willst du jetzt auch noch behaupten, dass jemand das Wasser ausgegossen hat!“
Sicher hat es wirklich jemand getan!, dachte Marianne verbittert. Auch wenn ihr so eine Gemeinheit bodenlos erschien. Sie war trotzig und ungezogen, aber gemein, nein, das war sie wirklich nicht. Dass jemand sogar Blumen verdursten ließ, um eine Mitschülerin reinzulegen – nein, das konnte sie sich doch nicht vorstellen.
„Hilda, hast du die Fragen von der Tafel abgeschrieben?“, fragte Frau Jenks. „Gut – dann kümmere du dich um die Blumen, wie es sich gehört! Und zwar gleich!“
Marianne musste die große Pause im Klassenzimmer verbringen, um zweimal die französische Übersetzung abzuschreiben. Sie hatte Elses spöttisches Grinsen bemerkt und sie ahnte, dass ihre Schwierigkeiten nicht zufällig entstanden waren. Freilich vermutete sie, dass die ganze Klasse beteiligt war, und fühlte sich deshalb besonders elend. Und dass keine von den anderen mit ihr sprach, sondern geflissentlich über sie wegsah, schien ihren Verdacht zu bestätigen.
Gerade jetzt müssen sie mich so ärgern, wo ich mir doch vorgenommen hatte nett zu sein!, dachte sie, während sie ihre Strafarbeit schrieb. Das ist echt gemein.
Natürlich kam Marianne auch zu spät zum Sportplatz. Elli hatte ihr die Mantelärmel so fest zugenäht, dass sie sie nur mithilfe einer Schere und mit viel Mühe wieder auftrennen konnte. Und als sie dann ihre Turnschuhe anzog und durch den Garten
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