Kein Spaß ohne Hanni und Nanni
dicke, schläfrige Mädchen eine Rede hielt. Hilda fand Annes Idee ausgezeichnet.
„Ja, das sollten wir tun“, stimmte sie zu. „Aber ich habe nicht die geringste Idee, wie wir es anstellen sollen.“
„Ja, das ist nicht so einfach. Marianne ist schlecht im Unterricht, unbegabt für den Sport, hoffnungslos im Zeichnen und absolut unbeholfen beim Handarbeiten“, sagte Nanni. „Wenn es doch irgendetwas gäbe, das ihr liegt, etwas, wo sie wirklich was kann. Dann hätten wir einen Anfang – versteht ihr? Wir könnten sie loben und sie vielleicht um Hilfe bitten. So etwas gibt einem Selbstvertrauen – und das ist in solchen Fällen das Wichtigste.“
Nun erlebte die Klasse eine zweite Überraschung. Ein schüchternes Stimmchen erhob sich.
Es war das Unglücksmädchen, das sprach: „Etwas kann Marianne tatsächlich sehr gut.“
Alle starrten Carla verwundert an. Bis jetzt hatte sie noch nie den Mund aufgemacht – und woher wollte sie denn so genau über Marianne Bescheid wissen? Carla wurde ganz klein, als alle sie so erstaunt ansahen. Hätte sie nur geschwiegen! Aber dafür war es zu spät. Außerdem wollte sie Marianne helfen.
„Wie meinst du das?“, fragte Anne.
„Nun, Marianne ist sehr gut in Musik“, stammelte Carla.
„Woher weißt du das?“, erkundigte sich Jenny. „Hier hat sie noch nie ein Instrument gespielt – und im Gesangsunterricht macht sie nicht mal den Mund auf.“
„Aber ich weiß es wirklich“, bekräftigte Carla. „Gestern Abend war sie im Musikzimmer und da hat sie auf der Geige gespielt, sie kann wirklich wunderschön spielen, und dann hat sie sich ans Klavier gesetzt und gespielt, und alles im Dunkeln ...“
„Im Dunkeln“, sagte Carlotta überrascht. „Warum habt ihr zwei denn nicht das Licht angemacht?“
Carla wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie starrte Carlotta an, sagte aber nichts.
„Kannst du nicht den Mund aufmachen?“, rief Carlotta ungeduldig. „Hörst du denn öfter zu, wenn Marianne im dunklen Musikzimmer sitzt und spielt?“
„Natürlich nicht“, sagte Carla. „Ich war zufällig dort, als Marianne hereinkam. Sie hat mich nicht bemerkt, wisst ihr. Sie hat geglaubt, sie sei allein – und deshalb hat sie gespielt.“
Die Mädchen schauten einander an. Carla ging also abends in das kleine Musikzimmer und saß dort ganz allein im Dunkeln. Was für ein seltsames Mädchen sie doch war! Aufmerksam betrachteten sie Carlas blasses, hageres Gesicht und ein Gefühl des Mitleids überkam sie. Niemand machte sich über sie lustig, wie Carla befürchtet hatte. Selbst Carlotta machte keine bissige Bemerkung.
„Wisst ihr“, sagte Jenny und schaute ihre Mitschülerinnen an, „wisst ihr, dass mich Marianne an die Sullivan-Zwillinge erinnert?“
„Was willst du damit sagen?“, erkundigte sich Hanni entrüstet.
„Erinnerst du dich nicht mehr, wie schwierig ihr beide wart, als ihr vor einem Jahr nach Lindenhof kamt?“, fragte Jenny. „Ihr hattet euch entschlossen, unausstehlich zu sein – und das seid ihr auch gewesen! Warum habt ihr denn damals eure Meinung geändert und wolltet hierbleiben?“
„Als wir merkten, dass wir uns albern benahmen und ihr trotzdem freundlich zu uns wart, da haben wir uns plötzlich sehr wohlgefühlt“, sagte Hanni, die sich an jene erste aufregende Zeit zurückzuerinnern versuchte.
„Genauso werden wir es jetzt machen“, schlug Anne vor. „Es war doch sehr anständig von Marianne, uns heute Nachmittag nicht zu verpetzen – und deshalb sind wir jetzt nett zu ihr und hören auf sie zu schneiden. Was meint ihr dazu?“
„Ja, Anne.“ Alle waren einverstanden, auch Carla. Hilda schaute Anne überrascht an. Sie hätte nie gedacht, dass die schläfrige Anne so energisch werden und in der Klasse sogar die Führung übernehmen könnte.
„Still! Marianne kommt!“, rief Hanni, als die Tür aufging.
Sofort begannen die Mädchen über irgendetwas Belangloses zu schwätzen, das ihnen gerade in den Sinn kam. Marianne betrachtete sie argwöhnisch. Sie hatte das sichere Gefühl, dass man über sie geredet hatte.
Marianne überrascht die Klasse
Als die Zwillinge an jenem Abend im Bett lagen, unterhielten sie sich noch ein Weilchen. Ihre Betten standen nebeneinander und so konnten sie zusammen flüstern, ohne dass es jemand störte.
„Sicher stehen uns ein paar aufregende Tage bevor“, wisperte Hanni. „Wetten, dass sich Else an uns rächen will? Vor allem wird sie über Anne herfallen – aber wir anderen
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