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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Mitte des Bildes. Eine andere Person ging vorbei. Die Frau blieb stehen. Dann drehte sie sich um und hob das Kinn, bis sie direkt in die Kamera sah.
    Mir stockte das Herz.
    Ich steckte mir die Faust in den Mund und unterdrückte einen Schrei. Ich konnte nicht atmen. Ich konnte nicht denken. Tränen schossen mir in die Augen und liefen meine Wangen hinunter. Ich wischte sie nicht ab.
    Ich starrte sie an. Sie starrte mich an.
    Eine weitere Gruppe Fußgänger überquerte die Straße. Einige rannten sie fast um, doch die Frau rührte sich nicht. Ihr Blick blieb starr auf die Kamera gerichtet. Sie hob die Hand, als wollte sie sie mir entgegenstrecken. In meinem Kopf drehte sich alles. Es war, als wären all meine Verbindungen zur Realität gekappt worden.
    Ich war vollkommen hilflos.
    Sie stand weiter mit ausgestreckter Hand da. Es gelang mir, meinerseits die Hand zu heben. Meine Finger strichen über den warmen Monitor, versuchten, ihre Finger auf halber Strecke zu berühren. Neue Tränen strömten mir über die Wangen. Behutsam liebkoste ich das Gesicht der Frau, und während mir das Herz brach, ging es gleichzeitig über vor Glück.
    »Elizabeth«, flüsterte ich.
    Sie blieb noch ein oder zwei Sekunden stehen. Dann sagte sie etwas in die Kamera. Ich hörte es nicht, aber ich las es von ihren Lippen ab.
    »Es tut mir Leid«, formten die Lippen meiner toten Frau.
    Und dann ging sie davon.

4
    Vic Letty sah in beide Richtungen, bevor er hinkend den Bereich des Einkaufszentrums mit den Postfächern betrat. Sein Blick durchstreifte den Raum. Niemand beachtete ihn. Perfekt. Vic konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sein Trick war idiotensicher. Man konnte ihn nicht zu ihm zurückverfolgen, und jetzt würde er richtig Geld damit machen.
    Der Schlüssel ist die Vorbereitung, dachte Vic. Das machte den Unterschied zwischen den Guten und den echten Profis aus, den ganz Großen. Die ganz Großen verwischten ihre Spuren. Die ganz Großen waren auf alles vorbereitet.
    Als Erstes hatte Vic sich einen falschen Ausweis von seinem Cousin Tony, diesem Versager, besorgt. Mit diesem falschen Ausweis hatte er dann unter dem Pseudonym UYS Enterprises ein Postfach gemietet. Brillant, oder? Falscher Ausweis und Pseudonym. Selbst wenn jetzt jemand diesen Lackaffen am Schreibtisch bestach, selbst wenn jemand herausbekam, wer das UYS Enterprises -Postfach gemietet hatte, kam er bloß bis zum Namen Roscoe Taylor, auf den Vics falscher Ausweis ausgestellt war.
    Keine Chance, das Postfach zu Vic zurückzuverfolgen.
    Von der gegenüberliegenden Seite des Raumes aus versuchte Vic in das kleine Fenster von Fach 417 zu sehen. Er konnte nicht viel erkennen, aber irgendetwas war mit Sicherheit drin. Wunderbar. Vic nahm nur Bargeld und Postanweisungen. Natürlich keine Schecks. Nichts, was man zu ihm zurückverfolgen konnte. Außerdem war er immer verkleidet, wenn er das Geld holte. So wie jetzt. Er trug eine Baseball-Kappe und einen falschen Schnurrbart. Außerdem tat er, als würde er hinken. Er hatte irgendwo gelesen, dass es den Leuten auffiel, wenn jemand hinkte. Falls also jemand einen Zeugen aufforderte, den Mann, der Fach 417 benutzte, zu beschreiben, was würde der dann sagen? Ganz einfach. Der Mann trug einen Schnurrbart und hinkte. Und wenn man dann noch den Trottel am Schalter bestach, kam dabei raus, dass ein Typ namens Roscoe Taylor einen Schnurrbart hatte und hinkte.
    Und auf den echten Vic Letty traf beides nicht zu.
    Doch Vic hatte noch weitere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Er öffnete das Fach nie in Gegenwart anderer Leute. Niemals. Wenn jemand anders seine Post holte oder sich aus irgendeinem anderen Grund dort aufhielt, tat er so, als wolle er ein anderes Fach öffnen oder eine Paketkarte ausfüllen oder so was. Wenn die Luft rein war - und nur wenn sie wirklich rein war -, ging Vic zu Fach 417.
    Vic wusste, dass man gar nicht vorsichtig genug sein konnte.
    Selbst für den Weg hierher hatte Vic seine Vorsichtsmaßnahmen. Seinen Mechaniker-Lieferwagen - Vic machte Installationen und Reparaturen für CableEye, den größten Kabelfernseh-Anbieter an der Ostküste - hatte er vier Blocks von hier entfernt abgestellt. Dann war er geduckt durch zwei schmale Gassen gelaufen. Über seinem schwarzen Uniform-Overall trug er eine schwarze Windjacke, so dass niemand den Namen Vic auf seiner rechten Brusttasche lesen konnte.
    Jetzt dachte er an den großen Zahltag, der für ihn anstand, sobald er Fach 417, keine drei Meter von ihm entfernt,

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