Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Daten an sämtliche Familienmitglieder, Nachbarn und den Arbeitgeber des Mannes weitergegeben werden würden. Dann verlangte Vic 500 Dollar dafür, dass er den Mund hielt. Das war vielleicht nicht viel Geld, aber Vic hielt es für die perfekte Summe - sie war hoch genug, um ihm einen anständigen Nebenverdienst zu verschaffen, und so niedrig, dass die meisten Opfer sich nicht ernsthaft dagegen wehrten.
Trotzdem - und das hatte Vic anfangs überrascht - reagierten nur ungefähr zehn Prozent. Vic wusste nicht, warum. Vielleicht war es nicht mehr so verpönt wie früher, sich Pornofilme anzusehen. Vielleicht wusste die Frau des Typen es schon. Wer weiß, vielleicht sahen sie sich die Filme sogar gemeinsam an. Doch das eigentliche Problem war das Gießkannenprinzip seiner Masche.
Er musste gezielter vorgehen. Er musste sich die Opfer einzeln aussuchen.
Als er das begriff, kam ihm der Gedanke, sich auf Männer aus bestimmten Berufsgruppen zu konzentrieren; Männer, die viel zu verlieren hatten, wenn diese Informationen an die Öffentlichkeit gerieten. Wieder fand er die erforderlichen Daten in den Computern der Kabelgesellschaft. Er schrieb an Lehrer, Kindergärtner und Gynäkologen. Männer, die in Berufen arbeiteten, bei denen eine solche Veröffentlichung zum Skandal werden würde. Die Lehrer reagierten am panischsten, hatten aber am wenigsten Geld. Außerdem ging er genauer auf den jeweiligen Adressaten ein. Er nannte den Namen der Frau. Er führte den Arbeitgeber namentlich auf. Lehrern versprach er, die Schulbehörde, die Eltern und Schüler mit Beweisen für Ihre Perversion zu überschwemmen - die Formulierung war Vic selbst eingefallen. Bei Ärzten drohte er, seine Beweise an die entsprechende Kammer, die Lokalzeitungen, Nachbarn und Patienten zu schicken.
Das Geld floss reichlicher.
Bis heute hatte diese Masche Vic fast 40 000 Dollar eingebracht. Und jetzt hatte er seinen größten Fisch an Land gezogen - einen so großen Fisch, dass Vic anfangs erwogen hatte, die Finger davon zu lassen. Aber das ging nicht. Er konnte nicht einfach den größten Zahltag seines Lebens sausen lassen.
Ja, er hatte jemanden erwischt, der im Rampenlicht stand. Im Rampenlicht sehr großer, heller Scheinwerfer. Randall Scope. Jung, attraktiv, reich, scharfe Frau, zweikommavier Kinder, politische Ambitionen und offenbar Erbe des Scope-Vermögens. Und Scope hatte nicht nur einen Film bestellt. Und auch keine zwei.
Innerhalb eines Monats hatte Randall Scope 23 Pornofilme geordert.
Aber hallo.
Vic hatte volle zwei Abende an seinem Brief gefeilt, letztlich aber doch auf das Bewährte zurückgegriffen: kurz, eisig und unmissverständlich. Er hatte 50 Riesen von Scope gefordert. Er hatte verlangt, dass das Geld spätestens heute in seinem Postfach war. Und wenn Vic nicht vollkommen schief lag, brannten ihm diese 50 Riesen gerade ein Loch in die Tasche seiner Windjacke.
Vic wollte sie sich ansehen. Er wollte sie sich eigentlich sofort ansehen. Aber Vic war diszipliniert. Er würde warten, bis er zu Hause war. Er würde die Tür aufschließen, sich auf den Boden setzen, das Paket aufschlitzen und zusehen, wie die Scheine herausflatterten.
Das ganz große Geld.
Vic parkte am Straßenrand und ging die Einfahrt hinauf. Der Anblick seiner Wohnung - eines Kabuffs über einer schäbigen Garage - deprimierte ihn. Doch er würde nicht mehr lange hier sein. Wenn man die 50 Riesen nahm und die fast 40 Riesen, die er in der Wohnung versteckt hatte, und die zehn Riesen, die er regulär zusammengespart hatte …
Als ihm das klar wurde, musste er kurz stehen bleiben. 100 000 Dollar. Er hatte 100 Riesen in bar. Scheiße, war das viel!
Er würde sofort abhauen. Sich das Geld greifen und ab durch die Mitte nach Arizona. Da wohnte ein Freund von ihm, Sammy Viola. Er würde mit Sammy ein Geschäft aufmachen, vielleicht ein Restaurant eröffnen oder einen Nachtclub. Vic hatte die Schnauze voll von New Jersey.
Es war Zeit, weiterzuziehen. Etwas Neues anzufangen.
Vic stieg die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Fürs Protokoll: Vic hatte seine Drohungen nie in die Tat umgesetzt. Er hatte nie irgendwelche Briefe an irgendwelche Bekannten oder Arbeitgeber geschickt. Wenn ein Opfer nicht zahlte, war der Fall damit erledigt. Es brachte nichts, ihnen hinterher Schaden zuzufügen. Vic war ein Trickbetrüger. Er machte mit seinem Hirn Geld. Er hatte zwar Menschen bedroht, die Sache jedoch nie durchgezogen. Damit hätte er höchstens jemanden wütend gemacht
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