Kein Tod wie der andere
Hatte er da einen entscheidenden Fehler gemacht? Sie konnten höchstens nachweisen, dass er selbst da gewesen war. Aber mehr auch nicht. Seine Anwesenheit dort konnte er begründen.
Ihm war ein Glaskolben heruntergefallen, und er fegte gedankenverloren die Scherben weg. Wenn da nur das Mädchen nicht gewesen wäre. Als er die ganzen Zusammenhänge begriffen hatte, hatte er tatsächlich geweint. Er wusste nicht, wann das zuletzt geschehen war. Vielleicht, als Fabiana ihn verlassen hatte? Nein, es musste schon vorher gewesen sein. Der Tod des Kindes hatte ihn wirklich mitgenommen. Aber es war nun geschehen und unumkehrbar und nicht seine Schuld.
Er fühlte sich schlecht. Seine Bewegungen waren fahrig. Er konnte nur mit Mühe verhindern, dass noch ein weiterer Glasbehälter kaputtging. Seine Gedanken waren nicht mehr hier bei der Arbeit. Es gab nur einen, der noch Bescheid wusste. Aber vor allem dem würde er nicht wieder alles erzählen. Das war ihm schon einmal zum Verhängnis geworden.
30
Trier; Mittwoch, 15. Juni
Die Soko Sauer hatte sich kurzfristig zu einer Mittagssitzung getroffen. Die Neuigkeiten, die Buhle und Ducard aus der Hauptstadt des Großherzogtums mitgebracht hatten, schlugen ein wie eine Bombe. Endlich gab es Verknüpfungspunkte zwischen einzelnen Personen und Spuren. Buhle fasste sie abschließend zusammen.
»Im Zentrum steht momentan Alexander Altmüller. Er hat im Institut für Virologie recherchiert, dort lagerten zu der Zeit gefährliche Viren, und Anne Altmüller ist an einem Virus erkrankt. Wenn es da einen Zusammenhang gibt, muss Altmüller auf einem uns noch unbekannten Weg an diese Viren herangekommen sein, und irgendwie geriet dann seine Tochter damit in Kontakt. Sven kann gleich erzählen, was er über den Virus herausgefunden hat.«
Buhle schaute vor sich auf ein Blatt, auf dem er ein Beziehungsgeflecht der bislang beteiligten Personen skizziert hatte. Alle Pfeile führten von Alexander Altmüller ausgehend zu den anderen Beteiligten.
»Dann haben wir Altmüller und Bonitzer, die wahrscheinlich eine Beziehung hatten, und Hinweise, dass Bonitzer sich zur Zeit von Suzanne Altmüllers Tod nahe beim Tatort aufgehalten hat. Gibt es eigentlich neue Erkenntnisse zur Leiche?«
Tard antwortete: »Ja, Kordonbowski hat heute Vormittag einen ersten Zwischenbericht geschickt. Liegt bei dir auf dem Schreibtisch. Demnach deutet vieles auf Fremdverschulden hin, nichts auf einen Freitod. Auch ein Unfall sei auszuschließen.«
»Aha, noch irgendetwas Handfestes?«
»Nein.«
»Ich habe die Bonitzer ja gesehen. Sie sah mir nicht unbedingt wie eine Mörderin aus. Wir müssen klären, ob sie physisch in der Lage sein könnte, eine gleich große Frau zu ertränken.«
»Ich denke nicht, dass wir da etwas klären müssen.« Reuter mischte sich mit seinem typischen knorrigen Unterton ein. »Wenn die Täterin emotional erregt, also so richtig wütend ist und das Opfer emotional niedergeschlagen, also so richtig am Boden zerstört ist, dann kann auch ein körperlich unterlegener Täter die Tat begehen.«
»Oh, Herr Psychologe. Hast du bei Frau Dr. Steyn Unterricht genommen?« Steffens flapsiger Spruch sorgte eine Sekunde lang für Stille im Raum. Doch Reuter konterte bemüht schnell.
»Bist du heute Morgen zu kurz gekommen mit deinen Befragungskünsten, oder was? Idiot!« Reuter warf Steffen einen Blick zu, der ihn hätte töten können. Offenbar hatten die beiden keinen allzu harmonischen Vormittag verbracht. Doch Buhle hatte das Gefühl, dass die Anspielung auf Marie noch entscheidender für Reuters heftige Reaktion gewesen war.
»Ja, Mich, du hast zweifelsohne recht. Nanette Bonitzer ist unsere erste Tatverdächtige. Ich werde gleich mit Henri noch mal zu ihr fahren.« Buhle blickte auf seinen Zettel. Von Alexander Altmüller gingen zwei Pfeile zu Thill und Schilzenbach, allerdings gab es keinen erkennbaren Zusammenhang mit den Todesfällen in der Familie. »Bislang haben wir keine Hinweise, dass die Flughafengeschichte hier irgendeine Rolle spielt. Diese Ermittlungsrichtung können wir vorerst zurückstellen.«
Tard räusperte sich. Er war ohne Huth-Balzer der mit Abstand Jüngste am Tisch und hatte immer noch Probleme, mit der gleichen Selbstverständlichkeit in dieser Runde aufzutreten wie die Kollegen. »Die Kriminaltechniker haben das Unfallauto von Altmüller noch einmal untersucht. Sie haben geringe Spuren von fremdem Lack am Wrack festgestellt. Grehler ist gerade draußen an der
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