Kein Tod wie der andere
Buhle wollte zum Abschluss kommen. »Wir haben jetzt zumindest eine Ahnung, warum Altmüller in Luxemburg unterwegs war und mit wem er dort zu tun hatte. Es gibt genug Bezugspunkte zu unserem Mordfall, um dort am Ball zu bleiben.«
Nachdem die weiteren Aufgaben jedes einzelnen abgeklärt waren, gingen die Kriminalbeamten auseinander.
Buhle fragte Ducard, ob der noch etwas essen wolle, doch er meinte mit Blick auf eine kleine Wölbung unter dem Hemd, dass er abends noch ausreichend versorgt würde. Jetzt mochte er viel lieber Nanette Bonitzer kennenlernen. Nachdem sie die saarländischen Kollegen von ihrer geplanten Befragung in Merzig unterrichtet hatten, fuhren sie los.
31
Merzig; Mittwoch, 15. Juni
Nanette Bonitzer lag im Bett und dachte nach; schon seit gestern Nachmittag, ununterbrochen. Alles rotierte unter ihrer Schädeldecke, die Gedanken rasten kreuz und quer und waren kaum zu fassen. Sie hatte schon Kopfschmerzen davon.
Niemand konnte etwas von ihrem Verhältnis wissen. Da war sie sich sicher. Alexander hatte immer auf höchste Diskretion Wert gelegt. Hatte ihr gesagt, dass er zumindest am Anfang seiner Frau gegenüber ihre Beziehung verheimlichen wollte. Hatte deshalb darauf bestanden, dass sie ausschließlich über dieses eine Handy Kontakt miteinander aufnehmen sollten. Und dieses Handy hatte sie nun seiner Frau abgenommen. Abgenommen, als sie sich an der Sauer getroffen hatten.
Sie hatte zuerst gedacht, Suzanne Altmüller hatte es ernst gemeint mit der offenen Aussprache unter Frauen. Alexander habe ihr von ihrer Beziehung erzählt, hatte sie gesagt. Das war das Erste, was sie damals begriff, nachdem sie so unverhofft ihre Stimme am Telefon gehört hatte. Sie hatte sich gefragt, ob er seiner Frau doch seine ursprünglich so tiefe Liebe zu ihr gestanden hatte. Ihr vielleicht sogar schon mitgeteilt hatte, dass er seine Familie verlassen wolle, um doch noch zu ihr, Nanette, zurückzukehren?
Natürlich hatte sie selbst sich nicht auf ein freundliches Gespräch eingestellt. Alex’ Frau musste sich trotz allem hintergangen gefühlt haben. Aber dann hatte sie versucht, positiv zu denken. War sogar ein wenig neugierig geworden, wollte wissen, was für ein Typ Frau sie war. Wollte wissen, ob sich Suzanne tatsächlich nicht mehr für ihren Mann interessierte, wie er es immer wieder beteuert hatte. Vielleicht hatte sie auch die Hoffnung getrieben, dass sich dadurch ihr schlechtes Gewissen verflüchtigen würde, weil es nicht schlimm wäre, eine Beziehung zu zerbrechen, die eigentlich schon längst keine mehr war.
Doch dann war alles ganz anders gekommen, ganz schrecklich geworden. Sie hätte es eigentlich vorher wissen müssen. Diese Frau wollte kein Gespräch, sie wollte sich rächen. Das war ihr schon nach den ersten Worten klar geworden, auch wenn sie es zuerst noch vertuschen wollte. Aber sie hatte es sofort gespürt, hatte diesen abgrundtiefen Hass in ihren kalten Augen sofort erkannt. Und dann hatte die Frau ihr an den Kopf geworfen, dass sie schuld sei: am Tod ihrer Tochter und am Tod von Alex.
Es war für eine Ewigkeit so gewesen, als ob die Welt um sie herum sich auflösen würde. Die ganzen Geräusche verbanden sich zu einem immer lauter werdenden Brei aus unterschiedlichsten Tönen, aus denen nur die Stimme dieser immer hysterischer werdenden Frau hervordrang, ohne dass sie verstehen konnte, was sie überhaupt sagte. Die Kulisse um sie herum hatte sich zu bewegen begonnen, hin und her, von ihr weg und auf sie zu. Alles war immer heller und heller und lauter und lauter geworden, bis sie die Hände dieser Furie an ihrer Bluse gespürt hatte, wie sie an ihr zerrte und riss. Mit beiden Armen hatte sie sie von sich gestoßen. Plötzlich schien alles stillzustehen, alles bis auf diese Frau, die mit geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen wie in Zeitlupe nach hinten fiel.
Sie hatte sich dieses Handy gegriffen, das Alex’ Frau fallen gelassen hatte. Es musste das Handy von Alexander gewesen sein. Für einen Moment hatte sie auf die vielen Papierseiten gestarrt, die im hohen Gras der Uferböschung verteilt waren, und auf die Frau, die mit dem Kopf halb im Wasser des Flusses lag. Danach war sie gelaufen, gelaufen, bis ihr Radfahrer entgegenkamen. Aber da war sie schon fast bei ihrem Auto gewesen. Wie weit sie danach gefahren war, wusste sie nicht, auch nicht, wohin. Als sie wieder zu sich kam, hatte sie heulend in ihrem Auto gesessen, ihren Körper fest auf das Lenkrad gepresst. Sie stand am Rand
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