Keine Angst vor Anakondas
Tag den Baumstumpf und freut sich. Er ist sich jetzt sicher, die Bilder eines Bäume fällenden Bibers schnell im Kasten zu haben. Mit seinem Team und seiner Kamera ist er schon seit ein paar Wochen am See. Da die Biber sich bereits an ihn gewöhnt haben, hat sich die Fluchtdistanz der Nager zwischenzeitlich deutlich verringert. Auch kennen sie seinen Geruch und verknüpfen ihn mit dem harmlosen Verrückten, der ständig eine Kamera durch die Gegend schleppt. Der Tierfilmer benutzt aber noch einen weiteren Trick, um die Biber an sich zu gewöhnen. Er steht am Seeufer und spricht mit ihnen. Manchmal schüttet er ihnen sogar sein Herz aus. Intuitiv scheinen sie zu erkennen, dass von ihm keine Gefahr für sie ausgeht. Solange er ihnen nicht zu sehr auf die Pelle rückt, scheinen sie ihn nicht einmal mehr zu bemerken.
Munter plappert Uwe Müller drauflos und erzählt den Bibern von seinem Filmprojekt über die Geschichte der Besiedlung Feuerlands und auch, dass ihm die entscheidende Szene für seinen Film, in der einer von ihnen einen Baum fällt, noch fehle. Freundlich erklärt er ihnen, dass sie in der nächsten Nacht doch bitte wieder an der Stelle erscheinen mögen, an der er für sie ein neues Bäumchen eingepflanzt habe.
Natürlich sind die Biber in Deutschland als heimische Tierart schon mehrfach Thema von Naturfilmen gewesen. Man hat es schwer mit ihnen, denn in Mitteleuropa sind sie extrem scheu. Jahrhundertelang sind sie wegen ihres besonders dichten und wärmenden Pelzes erbarmungslos gejagt worden. Bis zu 23 000 Haare sollen einem Biber auf nur einem Quadratzentimeter Haut wachsen. Beim Menschen sind es gerade mal 600. Es ist nur schwer vorstellbar, dass auf einen derart kleinen Raum so viele Haare passen. Wiederum gut vorstellbar ist aber, dass es den Bibern darunter mollig warm ist, selbst wenn sie im Winter bei starkem Frost den Bau verlassen. Hiervon existieren phänomenale Bilder Europäischer Biber in Auwäldern im Dreiländereck von Österreich, der Slowakei und Bayern.
Der deutsche Naturfilmer Jan Haft hatte einen Hinweis bekommen, dass hier Biber das Eis zufrierender Gewässer aufnagen, um einen Ausstieg aus dem Wasser und eine Möglichkeit zum Luftholen zu bekommen. Er verbrachte Wochen bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Als die Biber dann tatsächlich mit ihren großen Zähnen das Eis regelrecht zersägten, wurde es mordsmäßig laut im friedlichen, tief verschneiten Auwald. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass Biber Verursacher eines derartig lauten Getöses sein können. Mehrere Zentimeter dicke Eisplatten lösten sie aus der Eisfläche und hebelten sie beiseite. Vor Schreck und Verwunderung hielt Jan Haft die Kamera schief, doch ließ sich zum Glück das Filmmaterial später am PC zurechtrücken.
Die Invasion Feuerlands
Als Uwe Müller beschloss, einen Film über Biber zu drehen, suchte er nach einer neuen Perspektive, einer gut erzählbaren Geschichte, die es so noch nicht gab. Bei seinen Recherchen über diese Nagetiere stieß er auf die unglaubliche Bevölkerungsexplosion der Biber im argentinischen Feuerland. 1946 waren dort gut zwei Dutzend Kanadische Biberpaare ausgesetzt worden. Jäger und Händler hofften, dass sie sich vermehrten und man mit dem Pelzhandel Geld verdienen könnte.
Kanadische Biber? Es gibt zwei Biberarten. Neben den bei uns heimischen Europäischen Bibern ist in Nordamerika der Kanadische Biber beheimatet, der erstaunlicherweise sechs Chromosomen mehr besitzt. Erst vor ungefähr 10 000 Jahren ist in Nordamerika eine dritte Biberart ausgestorben. Diese Biber wurden zweieinhalb Meter groß und wären heute die größten Nagetiere weltweit. Sie dürften den indigenen Völkern, die von Asien über die zu jener Zeit noch existierende Landbrücke nach Alaska eingewandert waren, noch über den Weg gelaufen sein. Vielleicht sind sie sich allzu oft begegnet, denn es könnte sein, dass die Menschen am Verschwinden der Riesenbiber beteiligt waren. Heute sind jedenfalls die Wasserschweine die weltweit größten Nagetiere.
In Feuerland fanden die anpassungsfähigen Kanadischen Biber paradiesische Verhältnisse vor: Es gibt jede Menge Flüsse, Seen und Wälder in mehr als dürftig besiedelten Gegenden. Auch erwartete die Biber in Feuerland ein ähnliches Klima wie in Kanada. Noch erfreulicher für sie war, dass Luchs, Bär und Wolf in ihrer neuen Heimat fehlten. Aus Bibersicht gab es nur einen unliebsamen Bekannten, den Puma. Und als die Pelzpreise fielen,
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