Keine E-Mail fuer Dich
sofort ein Feedback, digital findet eine Kommunikationsverzögerung statt. Selbstverständlich habe auch ich mit meiner Praxis ein Facebook-Profil bzw. in allen sozialen Netzwerken einen Account, um auch online gefunden werden zu können. Dennoch habe ich keine Zeit und Lust, mich damit zu beschäftigen, denn es gibt so viel Schöneres. Ich liebe meine Offline-Welt, in der ich lebe. Dazu zählen meine Familie, meine Freunde, meine Praxis und mein Zuhause. Meine Patienten haben oftmals kein Gefühl mehr für den Unterschied zwischen off- und online. Sie schicken mir tatsächlich Freundschaftsanfragen via Facebook, die ich selbstverständlich nicht bestätige. In der Therapiestunde erkläre ich ihnen dann, dass ich eine Schweigepflicht habe und die Namen meiner Patienten nicht im Internet veröffentliche bzw. nicht »adde«. Viele sind erstaunt, und die wenigsten haben sich über das Thema Datenschutz Gedanken gemacht. Ich gestehe hier in aller Öffentlichkeit: Ich habe keinen einzigen virtuellen Freund!
Internet und multifunktionale Mobiltelefone haben in den letzten Jahren eine tief greifende Veränderung der Freizeit- und Kommunikationsgewohnheiten mit sich gebracht. Digitale Medien nehmen mittlerweile einen enorm hohen Stellenwert in unserem Alltagsleben ein, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit. Man kann hier von Konditionierungsprozessen sprechen, die das Verhalten aller Nutzer in vieler Hinsicht geprägt haben. Michael Winterhoff, Psychologe und Buchautor, spricht sogar von einer »Massentraumatisierung« unserer Gesellschaft durch digitale Medien und Überforderungssymptome.
Die Verfügbarkeit digitaler Medien verführt sehr leicht dazu, sich ständig mit ihnen zu beschäftigen, vor allem, um Pausen zu überbrücken. Sie sind räumlich fast überall erreichbar und vorhanden, besonders durch multifunktionale Smartphones. Durch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten wird man ständig verführt, diese auch zu nutzen.
Die Verschmelzung von Handy und Computer hat zu einer geistigen Bequemlichkeit geführt, man kann es auch »Unmündigkeit 2.0« nennen. Nehmen wir nur mal das Beispiel Navigationsgerät oder andere Systeme, um sich im Raum zu verorten. Sobald sie nicht mehr funktionieren oder nicht vorhanden sind, fühlt sich der moderne Mensch verloren, hilflos. Und traut seinen eigenen Fähigkeiten (z. B. Kartenlesen) nicht mehr.
Seit das iPhone vor fünf Jahren seinen Siegeszug antrat und sich nun alle mit ihren Apps beschäftigen, sind wir in eine neue Dimension von Abhängigkeit geraten. Auch die US -Soziologin Sherry Turkle kritisiert den Wandel zu immer mehr schriftlicher Kommunikation, dadurch werde menschlicher Kontakt reduziert, es entstehe mehr Einzelkämpfertum. Das Telefonieren verliert als Kommunikationsform immer mehr an Bedeutung. Menschen berichten, dass sie andere nicht in deren Privatsphäre stören wollen. Tagtäglich findet nun mehr Kommunikation über schriftliche Wege statt.
Durch die immer weniger frei verfügbare Zeit, die zu einem raren Gut geworden ist, wird der Mensch vor die Wahl gestellt: noch mal das Haus verlassen und einen Freund treffen oder einfach mit ihm über Facebook chatten? Nebenbei auch noch schauen, was die anderen so machen, oder sich parallel mit mehreren Leuten schreiben? Das spart Zeit und ist effizient. Außerdem ist der Unterhaltungswert für viele online höher und attraktiver als das reale Treffen mit einem Freund. Da wir alle pragmatisch geworden sind, steigen die Nutzungszeiten der digitalen Medien. Soziale Netzwerke bedeuten heute die Kommunikation überhaupt, sie stillen das Bedürfnis nach Kommunikation und Aufmerksamkeit. In Anbetracht unserer knappen zeitlichen Ressourcen ist es für die meisten die pragmatischste Variante.
Die Veränderung der zwischenmenschlichen Kommunikation geht auch mit der Absenkung von Schamgrenzen einher. Es ist so schön einfach, persönliche Botschaften und Informationen über das Internet zu kommunizieren, weil kein direkter persönlicher Kontakt zum Adressaten bestehen muss und die Reaktion zeitverzögert erfolgt. Auch ist es möglich, anonym zu kommunizieren, wobei sich Schamgrenzen nochmals verringern. Augenkontakt, Mimik und Gestik werden immer unwichtiger. Jugendliche, die mit Internetkommunikation aufwachsen, werden keinen Unterschied mehr sehen zwischen persönlicher Unterhaltung und Austausch übers Internet. Digitale Kommunikation gibt dem Mensch das Gefühl, nicht allein zu sein, obwohl er es eigentlich
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