Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
riesigen, offenen Büroraum Türen gegeben hätte, sie hätte gewiss laut und arrogant angeklopft.
»Ja?«, sagte Amelie gereizt, die sich nicht gern beim Männchenmalen stören ließ.
Fleur lehnte sich an die Wand und inspizierte ihre fuchsiaroten Fingernägel. »Wie ich sehe, habt ihr also endlich aus dem Café Balans zurückgefunden.«
»Nicht, dass es dich was anginge, aber ob du’s glaubst oder nicht, wir arbeiten dort. Da wird man wenigstens nicht dauernd unterbrochen...«, antwortete Amelie vielsagend.
Fleur war nicht im Geringsten beeindruckt. Mit hoheitsvoller Gelassenheit verkündete sie: »Nein, du hast Recht, es sollte mich eigentlich nicht kümmern, aber du weißt ja – seit ich befördert wurde und all das, kann ich nicht anders, als mir Sorgen um den armen Josh zu machen, der auf Kohlen sitzt und darauf wartet, dass ihr was Anständiges fabriziert. Er reißt sich den Hintern auf, während ihr kreativen Genies hier herumalbert …«
»Liebe Fleur, du hast es – verständlicherweise – vielleicht noch nicht gemerkt, aber die Agentur verdankt einige ihrer besten Arbeiten den Frühstücksbagels im Café Balans«, sagte Amelie mit wachsendem Zorn. »Dunc und ich schwören auf unsere Montags-Brunchs, da haben wir immer die besten Ideen. Das machen wir schon seit dem College so, eine altbewährte Gewohnheit, du verstehst.«
In diesem Moment hielt Duncan klugerweise die Hand hoch, um Max zu verstehen zu geben, dass Halbzeit war. Um die angespannte Situation zu entschärfen, sagte er zu Fleur: »Was wolltest du eigentlich von uns?«
»Nun, als Joshs neue persönliche Assistentin ist es nun mal meine Pflicht, den Fortschritt jedes Projekts im Auge zu behalten. Dieses Interesse habe ich hiermit zum Ausdruck gebracht.« Fleur schickte ein zuckersüßes Lächeln in die Runde, während sie sich gleichzeitig eine blonde Haarsträhne um den Finger wickelte. »Oh, ach ja, und wenn du einen Moment Zeit hättest, Amelie, Josh würde dich gerne sehen.« Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und stakste auf ihren hohen Absätzen davon.
»Menschenskind«, sagte Amelie, die Fleur nachblickte, »sie ist seit, ja was, drei Wochen Joshs PA und führt sich jetzt schon auf, als gehöre ihr die Firma.« Amelie schaute fragend von Duncan zu Max. »Aber es ist doch immer noch Sarahs Aufgabe, den Fortgang der diversen Projekte zu verfolgen, oder etwa nicht? Wozu haben wir sonst einen Traffic Manager?« Mit diesen Worten erhob sich Amelie und schlüpfte in ihre Kapuzenjacke. »Na gut, ich will dann mal. Bis später.« Aber Duncan und Max hatten ihr Ballspiel bereits wieder aufgenommen.
»Schließen Sie bitte die Tür, Amelie.« Josh lehnte sich in seinem schwarzen Ledersessel zurück, die braunen Augen durchdringend auf Amelie gerichtet, mit der Hand Zigarettenasche in einen Aschenbecher schnipsend.
»Zigarette?« Er hielt Amelie eine offene Packung hin.
Amelie hätte liebend gerne eine gehabt. »Nein, danke. Stinkende Glimmstängel. Ich versuche aufzuhören. Vorsatz fürs neue Jahr.«
»Wie Sie wollen«, sagte Josh. »Aber habe ich Sie nicht neulich im Pub rauchen sehen?« Er bedachte Amelie mit einem fragenden Blick. »Oder gestern im Billardzimmer, mit Duncan? Aber nun ja, es sind schließlich Ihre Lungen.« Er sagte dies im Ton eines selbstgerechten Nichtrauchers.
Amelie war total verwirrt. Hatte er ihr etwa nachspioniert? Zorn flammte in ihr auf. Es stimmte, sie versuchte seit einiger Zeit – vergebens – ihren Nikotinkonsum zurückzuschrauben. In Wahrheit jedoch hatte sie Joshs Zigarette eher deshalb zurückgewiesen, weil sie noch nicht bereit war, die Barriere, die sie zwischen sich und ihm errichtet hatte, niederzureißen. Das war kindisch, zugegeben, aber sie konnte nicht anders, sie war immer noch ein wenig böse auf diesen Mann, der ihre geliebte Jana – Amelies Mentorin und Ratgeberin – verdrängt hatte. Jana hatte Amelie und Duncan als frischgebackene Collegeabsolventen unter ihre Fittiche genommen und sorgfältig ihre Talente gefördert und sie behutsam mit dem rauen Alltag der Werbeindustrie vertraut gemacht. Und dafür würde ihr Amelie ein Leben lang dankbar sein. Und so plötzlich einen neuen Creative Director vor die Nase gesetzt bekommen zu haben war, besonders für Amelie, schwer zu verdauen.
»Nun, da müssen Sie sich geirrt haben«, entgegnete sie schnippisch. »Außerdem rauche ich nicht bei der Arbeit. Das vernebelt einem nur das Gehirn, wissen Sie. Und bei der Arbeit habe
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