Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
gesagt, kaum noch an was erinnern, außer dass du ziemlich nett gewesen sein musst. Ist das deine natürliche Haarfarbe? Ich fand sie toll! Und das hübsche Top, das du anhattest – hast du’s extra für diesen Abend gekauft? Ich fand, es stand dir echt gut. Wann möchtest du dich mit mir treffen?
Wie lässt sich dein kleines Schmuckimperium an? Hast du schon einen zweiten Laden eröffnen können? Hattest du diese Woche schon Zeit, um an den Strand zu gehen?
Wann kommst du mal wieder in die Big City? Sag mir nur, wann, dann können wir ja einen trinken gehen. Ich bin im Moment ziemlich flexibel. Meiner Erfahrung nach ist es am besten, es so schnell wie möglich zu machen. Sich treffen, meine ich. Das Eisen schmieden, solange es heiß ist, sozusagen. Ja, also dann, schreib mir, wann du Zeit hast.
Viele Grüße,
Jon
Bekomme allmählich Angst, dass mir das Ganze über den Kopf wächst. Hätte ich doch bloß nicht so viel geschwindelt! Ob mich all die fiktiven Amelies nun verfolgen werden? Ein paar von diesen Jungs scheinen ganz nett zu sein, aber ich weiß beim besten Willen nicht mehr, wer wer war; sie sind alle ein einziger Mischmasch aus Nummern und Namen. Kriege allmählich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie so reingelegt habe.
Aber da ist noch was, was mich beunruhigt: Sobald sie sehen, dass du sie ausgesucht hast, scheint eine Art Damm zu brechen – und eine Flut von Lebensgeschichten schwemmt über dich hinweg. Es ist, als dächten sie: So, jetzt hab ich dich, jetzt wirst du mir zuhören, jetzt kann ich dir alles über mich und mein Leben erzählen! Und das Schlimmste ist, ich weiß überhaupt nicht mehr, wie sie aussahen, es ist also so, als würde man von einem Wildfremden in die Ecke gedrängt und mit seiner Lebensgeschichte traktiert. Da wäre zum Beispiel Marius, der Sekunden nach meiner Mail mit seinem kompletten Lebenslauf aufwartete:
Liebe Amelie, ich stamme aus den Midlands, aus einem kleinen Örtchen namens Upton-over-the-Wey. Bin 1976 geboren und habe eine riesige Familie. Wir Tanbys leben schon seit fünf Generationen dort. Dad kramt immer gleich den Familienstammbaum heraus, wenn wir Besuch haben. Alle Tanbys gingen und gehen auf die Dorfschule und dann auf das kleine College, aber ich bin der Einzige, der danach noch an der Uni studiert hat. Informatik. Anschließend habe ich ein paar Jahre bei einer IT.-Helpline gearbeitet und irgendwelchen Idioten erklärt, wie sie ihren Computer an- und ausschalten sollen. Danach habe ich dann mit Web-Development angefangen, und das mache ich immer noch. Tolle Arbeit – wenn man Aufträge hat. Ich verdiene jetzt über 100 Riesen pro Jahr und habe mir kürzlich ein Häuschen in Morden zugelegt. Da wohne ich jetzt allein. Toll, wenn man nicht länger sein Geld für Miete rausschmeißen muss. Davor habe ich in einer Studenten-WG gewohnt, sechs Typen und nur ein Badezimmer – nie wieder. So viel Schimmel hast du im Leben noch nicht gesehen. Ich arbeite in Wimbledon, nicht weit entfernt von meiner Wohnung. Was macht die Tanzerei? Scheint ein ganz schön anstrengender Job zu sein, was du so erzählt hast. Wahrscheinlich hast du am Wochenende nicht oft frei, aber falls du doch mal Zeit hast, meine Eltern besitzen ein hübsches Cottage, da könnten wir hinfahren. Brauchst nur ein Wort zu sagen, und ich komme und rette dich! Und meine Familie würde sich riesig freuen, dich kennen zu lernen!
Wo wohnst du? In welchem Ballettstück trittst du noch mal auf? Meinst du, es sind noch Tickets zu haben? Ich würde dich auch liebend gerne mal abends in ein Restaurant ausführen – gib mir Bescheid, wann du Zeit hast, dann machen wir einen Termin aus.
Marius
Tandy Web Development UK www.TandyWebdevelopment.co.uk
Was soll man davon halten? Er scheint ein netter Typ zu sein (für einen Computer-Freak), aber auch ein klein bisschen übereifrig (auf eine Fatal-Attraction-Art). Eine einzige, lauwarme E-Mail von mir, und er will mich gleich seinen Eltern vorstellen?! Ich meine, was war schon, drei verschwommene Minuten, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er seiner ganzen Mischpoke von mir erzählt hat. Na gut, ich muss wohl ein bisschen umdenken, denn immerhin handelt es sich hier um Speed- Dating: Da geht wohl alles ein bisschen schneller als normal.
Aber das Problem mit all diesen Männern ist, sobald sie mal ihren Sermon losgeworden sind, wollen sie alle dieselben Antworten. Was soll ich also tun? Weiter mitspielen? Ihre Fragen
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