Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
Überleben der gesamten Weltbevölkerung davon abhinge!« Aufgeregt auf und ab gehend legte er den vierten Gang ein.
»Amelie, Sie müssen sich was einfallen lassen, was die Konkurrenz förmlich hinwegfegt.« In seine Augen trat ein träumerischer Ausdruck, und alles um sich herum vergessend schwärmte er: »Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass sie einsam sind, selbst wenn sie’s nicht sind. Wir müssen einen Weg in ihre Herzen finden, ihren Verstand, ihre Seele. Wir müssen sie davon überzeugen, dass sie einsam und allein sind und einer einsamen, leeren Zukunft entgegensehen …«
Er holte tief Luft und blickte, am Fenster stehend, auf das hektische Treiben auf dem Soho Square hinab. Dann beendete er sein leidenschaftliches Plädoyer mit den Worten: »Wir brauchen eine Werbekampagne, die die Leute dazu zwingt, den Hintern hochzukriegen und sich ihren Mr oder ihre Mrs Right zu schnappen, bevor es zu spät ist... bevor ihnen Pantoffeln wachsen, sie Moos ansetzen und für den Rest ihrer Tage vor dem Kamin sitzen und heiße Schokolade schlürfen!«
Amelie schaute ihren Partner Duncan an, der mit Hingabe sinnlose Schnörkel auf seinen Notizblock malte, und verdrehte die Augen. Da richtete er sich auf und schürzte höchste Aufmerksamkeit vor.
»Ich höre Sie ja, Joshua, ehrlich«, sagte Amelie. »Und wir sind ja auch an dem Fall dran. Aber glauben Sie nicht, wir brächten schneller was zustande, wenn Sie uns ein klitzekleines bisschen mehr in Ruhe lassen würden? Dann wären wir dieser Kampagne, von der offensichtlich unser Überleben abhängt, doch schon ein gutes Stück näher gekommen, oder?«
Josh, der sich von Amelies frecher Antwort nicht aus der Ruhe bringen ließ, warf das Infoblatt über Fast Love – Englands neuestes und ehrgeizigstes Speed-Dating-Unternehmen – auf den Schreibtisch und verzog sein Gesicht zu einem anzüglichen Grinsen. »Noch vier Wochen bis D-Day, Kleine. Dann strengen Sie Ihr hübsches Köpfchen mal schön an.«
Amelie verzog das Gesicht und blickte böse hinter der entschwindenden Gestalt im makellosen schwarzen Armani-Zwirn her. Zum zwölften Mal in diesem Jahr (dabei war erst Januar) fragte sie sich, wieso Josh – der frisch rekrutierte neue Creative Director der Agentur – ausgerechnet ihr gegenüber so herablassend war. Denn zu all den anderen Copywritern war er höflich und respektvoll – nur zu ihr nicht.
»Ach, komm, lass dich von dem doch nicht aus der Ruhe bringen«, riet Duncan, der spürte, wie verärgert Amelie war, diplomatisch. »Wir können nicht mehr tun, als unser Bestes geben.«
Auf Duncan war Verlass, wenn es galt, Amelies überschäumendes Temperament zu zügeln, das sie leider schon allzu oft in Schwierigkeiten gebracht hatte. Wo Amelie dazu neigte, sich zu sorgen und jede Kleinigkeit zu Tode zu analysieren, war Duncan das genaue Gegenteil: Er war die Ruhe selbst, immer optimistisch, diplomatisch und besaß eine wahrhaft engelsgleiche Geduld.
Doch diesmal schien es so, als ließe sich Amelies Temperament nicht mehr länger beschwichtigen. Zornig strich sie ein paar Locken, die sich aus ihrer wilden schokobraunen Mähne gelöst hatten, aus dem Gesicht und überflog das Infoblatt. Klar werden wir unser Bestes geben, dachte sie bei sich. Aber selbst wenn Joshua Grant in Sydney ein Wunderkind gewesen sein mag, das gibt ihm noch lange nicht das Recht uns zu behandeln, als wären wir geistig minderbemittelt. Und das noch bevor er ausgepackt, geschweige denn seinen Wert als Leitwolf unter Beweis gestellt hat.
In den drei Jahren, seit sie bei LGMK (Lewis Gibbs Myers Kirby Advertising) angefangen hatte, gab es kaum einen Fall, in dem sie und Duncan nicht die zündende Idee beigesteuert hätten, mit der sie am Ende der Agentur den Auftrag gesichert hatten. Amelie war sogar der Meinung, dass sie und ihr Partner Duncan – der Grafiker des Teams – die beste Kreativpaarung waren, die die Agentur besaß. Und wenn man das bedachte, dann war diese letzte Rede von Josh – und dieses blöde Infoblatt! – schon ein wenig merkwürdig.
»Aber jetzt mal im Ernst, Dunc, was für ein blöder Name ist das? Fast Love!«, beschwerte sich Amelie und blickte von dem Infoblatt auf. »Ich meine, wie sollen wir die Leute dazu kriegen, die Sache ernst zu nehmen – bei so einem Namen?! Und verrate mir eins: Funktioniert das wirklich, dieses Speed-Dating? Machen die Leute das? Ich dachte, das wär bloß ein urbaner Mythos!«
»Amelie, du lebst hinterm Mond. Das ist in der
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