Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
Italiener knurrten hörbar, und Charlie verfolgte das Ganze amüsiert. Wahrscheinlich dachte er sich, dass der Abend nicht ganz so lief, wie er das geplant hatte.
Kurz darauf waren die winzigen Portionen Linguine pesto verzehrt und keiner der drei Italiener schien auch nur ansatzweise satt zu sein. Daher kam es, dass Paolos Augen, als der Kellner erschien, um die Platte abzuräumen, wie festgewachsen an den schmurgelnden Überresten klebten. Amelie, die dies belustigt erkannte, beschloss, den armen Hungernden zu Hilfe zu eilen.
»Ach, Moment noch«, sagte sie zu dem Kellner, »lassen Sie die Platte bitte noch da, danke.« Sie grinste die Italiener an und sagte, als wäre dies das Letzte, woran der arme Paolo dachte: »Wisst ihr was? Wir kriegen einfach nicht mehr runter. Wollt ihr vielleicht was davon probieren? Man sollte gutes Essen schließlich nicht verkommen lassen, oder?« Und mit diesen Worten schob Amelie die Platte zu den hungrigen Italienern hin.
Paolo war entzückt, Franco und Raphael ebenso. Alle drei beugten sich schüchtern vor und murmelten etwas wie »un piccolo« , um nicht gar so gefräßig zu erscheinen.
»Delizioso« , bekannte Paolo zehn Minuten später höchst zufrieden. Mit einem breiten, dankbaren Grinsen wischte er mit dem letzten Stück Tortilla die Platte sauber.
»Sì, grazie«, tönten Franco und Raphael im Chor.
Charlie, der es mittlerweile kaum mehr abwarten konnte, Amelie wieder für sich alleine zu haben, winkte nach der Rechnung. Als der Kellner an ihren Tisch kam und fragte, ob sie noch einen Kaffee wollten, stimmten die Italiener sogleich zu, Charlie jedoch lehnte ab. Amelie schaute ihn fragend an.
»Ich kenne da einen wunderhübschen Ort, an dem es einen erstklassigen Kaffee gibt«, sagte er.
»Na gut«, meinte Amelie und beide legten ihr Geld zusammen und erhoben sich zum Gehen.
»Jungs, es war nett euch kennen zu lernen«, sagte Charlie.
»Sì, gleichfalls. Herzlichen Dank für die Fajitas! Ich wünsche euch ein langes und glückliches Leben«, sagte Paolo warm, und Franco und Raphael nickten lächelnd.
»Danke, ebenfalls«, sagte Amelie grinsend. Charlie nahm sie bei der Hand und führte sie die Wendeltreppe hinunter auf die Straße hinaus.
Zurück auf der Portobello Road bekam Amelie erst mal einen gehörigen Kicheranfall. Gut gelaunt hängte sie sich bei Charlie ein und sagte: »Also, wo ist nun dieses nette Café? Ich mag aber nur hingehen, wenn wir uns dort zu einem Haufen durstiger Spanier setzen!«
»O nein, bedaure, aber das ist unmöglich«, antwortete Charlie grinsend. »Denn das nette kleine Café ist meine Bude. Ich wohne nicht weit von hier, Lancaster Gate. Na, was sagst du?«
Amelie schalt sich für ihre Naivität. Wie lange war es her, seit sie eine richtige Verabredung gehabt hatte? Zu lange, wie es schien. »Ach, na klar, ich hab nur Spaß gemacht. Andererseits jedoch kenne ich da eine wirklich nette kleine Weinbar, nicht weit von hier, wenn du wirklich noch wo hingehen willst.«
»Klingt verlockend, aber ich muss morgen leider ganz früh zu einem Vorsprechen, da muss ich frisch sein; es ist eine Rolle, für die ich meine recht Arschbacke geben würde. Ich sollte also eigentlich wirklich ins Bett.« Er hielt inne, zog eine nachdenkliche Miene und schaute dann Amelie an. »Aber hör zu. Im Ernst. Ich versuche nicht, dich zu manipulieren oder so, ehrlich.« Charlie hielt inne und berührte Amelies Arm. »Es ist so, ich weiß nicht, wie’s dir geht, Amelie, aber mir hat der heutige Abend wirklich gut gefallen...«
»Ach, mir auch! Es war echt schön.« Amelie nickte und blickte mit großen Augen zu ihm auf.
»Und ich möchte nicht, dass er jetzt schon endet. Ich würde mich gerne weiter mit dir unterhalten. Bei einer Tasse Kaffee. Bei mir. Und ich meine ehrlich nur Kaffee. Tut mir leid, wenn ich schon wieder kitschig werde, aber weißt du – ich fange an dich richtig gernzuhaben. Richtig gern.«
Charlie hielt inne, die braunen Augen mit einem seelenvollen Ausdruck auf Amelie gerichtet. Amelie wandte verlegen den Blick ab.
»Du hast so was, Amelie, das ist mir gleich im ersten Moment aufgefallen, neulich, an dem Abend. Ich kann’s schwer in Worte fassen – mein Gott, wie ich mich anhöre... ich sage wohl besser nichts mehr...« Charlie blickte Amelie tief in die Augen. »Aber es liegt natürlich ganz bei dir.« Amelie, die spürte, wie seine Hand, mit der er die ihre umfasste, schlaff wurde, hätte nichts lieber getan, als sich von seiner
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