Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
macht mir gar nichts aus, im Gegenteil. Ich hasse es, wenn man für mich zahlt; das macht mich immer so nervös.«
Charlies Miene hellte sich schlagartig auf. Er nahm Amelie bei der Hand, und sie schlenderten die Portobello Road entlang.
»Ich glaube, wir werden prima miteinander auskommen.«
Eine halbe Stunde später saßen sie an einem großen runden Tisch auf der kleinen Dachterrasse des Bistros, beschirmt von einer kleinen Markise und gewärmt von mächtigen Heizstrahlern. Vor ihnen stand eine Riesenplatte Fajitas für zwei, dazu tranken sie Sangria, über sich den Sternenhimmel. Nicht lange und sie waren in eine angeregte Diskussion über die Vorzüge des Art-House-Cinemas vertieft. Was sie jedoch nicht wussten, war, dass ihr idyllischer Essplatz einen entscheidenden Nachteil hatte: Ein derart populäres Lokal wie das Grove Café, mit derart begrenzten Sitzplätzen, die derart begehrt waren, konnte es sich nicht leisten, ein Pärchen an einem Tisch für fünf allein sitzen zu lassen. Charlie und Amelie saßen daher ahnungslos an ihrem großen Tisch und machten sich soeben über ihre Fajita-Platte her, als auch schon drei heißhungrige Italiener die Aluminiumwendeltreppe heraufkamen und vom Kellner ohne Zögern zu ihnen an den Tisch geführt wurden.
» Ciao! Mi chiamo Paolo . Und das sind Franco e Raphael. Dürfen wir uns zu euch setzen?«
Die anderen beiden, denen das Englische offenbar weniger geläufig war, lächelten schüchtern und nervös. Amelie nickte – es blieb ihr ja auch kaum etwas übrig.
»Natürlich, setzt euch«, sagte auch Charlie, konnte seine Enttäuschung darüber, Amelie nicht mehr für sich zu haben, allerdings kaum verbergen; andererseits wusste er, dass es seine Schuld war, hatte er Amelie doch in dieses beliebte Lokal geführt. Paolo und seine Freunde griffen sich also die verbleibenden drei Stühle und nahmen Platz. Wie es der Teufel wollte, hatten sich Charlie und Amelie jedoch einander gegenüber gesetzt und nicht nebeneinander, weil dies ihr erstes Date war (oder zweites, wenn man so wollte) und sie daher noch etwas nervös waren. Somit war zwischen ihnen noch ein Stuhl frei, auf den sich Paolo nun zwängte. Die beiden Stühle auf den anderen Seiten von Charlie und Amelie nahmen Franco und Raphael ein. Und so saß die kleine Gruppe nun weit enger aufeinander, als dies für britische Gepflogenheiten normalerweise wünschenswert war.
Paolo, dem dies als Italiener nicht klar war, beugte sich zu Charlie hin und zwinkerte ihm schelmisch zu.
»Ihr seid verheiratet, sí? Die Signora ist molto bella, sì ? Du bist ein glücklicher Mann. Ihr liebt euch sehr, sì? Ja, ja, das sieht man.« Franco und Raphael nickten emphatisch.
Charlie machte schon den Mund auf, um zu widersprechen, doch Paolo rief: »Champagner! Das muss gefeiert werden!« Er hob den Arm und winkte dem Kellner.
» Scusi, per favore . Könnten wir eine Flasche Champagner für fünf haben und dreimal die Linguine pesto?«
Wenig später prosteten sie einander zu und brachten einen Toast auf »l’amore« aus. Es stellte sich heraus, dass Paolo ein erfolgreicher Filmemacher aus Mailand war, der soeben einen Film über unerwiderte Liebe fertig gestellt hatte. Er war daher umso erfreuter, hier vor seinen Augen die wahre Liebe erblühen zu sehen. Charlie und Amelie gaben sich nach kurzer Zeit geschlagen und beschlossen, das Spiel mitzuspielen. Sie hielten ihre linken Hände unter dem Tisch verborgen, um über das Fehlen von Eheringen hinwegzutäuschen.
»Ja, wir haben in Vegas geheiratet. Sehr romantisch, wirklich, ich war selbst überrascht«, schwindelte Charlie.
Eine halbe Stunde und zahlreiche Filmanekdoten später waren Amelie und Charlie pappsatt. Seufzend gaben sie sich vor der nur halb leergegessenen Fajita-Platte geschlagen.
»Eine Schande«, sagte Charlie, sein Besteck schließend, »köstlich, diese Fajitas, aber wir haben im Kino wohl doch zu viel Popcorn gefuttert.«
»Ja. Ich hasse es, Essen zu verschwenden, noch dazu, wenn es so gut ist«, stimmte ihm Amelie bei, die bei einem ersten Date nie besonders viel Appetit hatte. Vor allem nicht bei einem Date mit einem Mann, den sie so sehr mochte wie Charlie in diesem Moment. Er hatte ein einfaches weißes Shirt an, eine abgestoßene alte Levis-Jeans, dazu ein elegantes schwarzes Jackett und sah womöglich noch besser aus als bei ihrer ersten Begegnung.
Während Amelie also Charlie bewunderte, bewunderte Paolo die halbvolle Fajita-Platte. Die Mägen der drei
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