Keine Lady fuer Lord Strensham
leben, während wir uns damit abplagen, das Gut zu sanieren. Nicht einmal dann, wenn ich mich bereit erklärte, nie zu heiraten, damit er erben kann.“
„Du unterschätzt das schöne Geschlecht, lieber Cousin“, wandte Ned ein. Ein versonnenes Lächeln umspielte seine Lippen bei der Vorstellung, wie seine entschlossene Gattin auf eine solche Herausforderung antworten würde.
„Lydia ist die große Ausnahme“, tat Marcus seinen Einwurf ab, und sein Blick war voller Zuneigung.
Ned schien zur Abwechslung einmal sehr zufrieden mit der Antwort seines Cousins, doch dann sagte er warnend: „Du kannst die Liebe nicht deinem Willen unterordnen, als wäre sie einer deiner Infanteristen, Marcus.“
„Liebe gibt es nur in schlechten Romanen und den Köpfen einfältiger Schulmädchen.“
„Vielen Dank“, meinte Ned trocken. „Zählst du Lydia und mich auch dazu?“
Marcus lachte. „Ihr seid die Ausnahme, die die Regel bestätigt, mein Lieber.“
„Wie freundlich“, kam die ironische Antwort.
Marcus wandte sich plötzlich entschlossen in Richtung Tür. „Ich reite aus.“
„Dem Himmel sei Dank“, rief sein Cousin ihm nach. „Vielleicht hilft es dir ja, ein wenig Dampf abzulassen!“
Bei jedem anderen Mann hätte Ned geargwöhnt, er litte unter Liebeskummer. Aber nicht bei Marcus. In seinem Fall waren wohl die schwierigen Umstände schuld an seiner Rastlosigkeit.
Am Sonntagmorgen erschien ein Fremder in der Kirche. Thea erschrak so sehr, dass sie vorübergehend sogar Marcus vergaß, der dabei war, seiner Erbin unverhohlen den Hof zu machen. Der seriös scheinende Mann war dunkelhaarig wie Marcus auch – was überhaupt nichts zur Sache tut, schalt Thea sich.
Von mittlerer Größe und recht mager, besaß er ein eher ausdrucksloses Gesicht, aber er erwiderte das Lächeln des Vikars freundlich und nahm Platz. Als er den Kopf senkte, um zu beten, ermahnte Thea sich, Ruhe zu bewahren. Sie musste endlich aufhören, in jedem Fremden einen Feind zu sehen und vor Aufregung fast zu sterben. Seit drei Monaten hatte sich kein Verfolger gezeigt, was bedeuten konnte, dass ihre Feinde aufgegeben hatten.
„Er wohnt im ‚Crown‘“, flüsterte Carrie ihr zu, die Theas Blick gefolgt war. „So erschüttert war er über den Tod seiner Frau, der arme Mann. Die Ärzte haben ihm geraten, sich auf dem Land zu erholen. Er heißt Carter.“
Entschlossen schüttelte Thea ihre Ängstlichkeit ab und nahm sich nach dem Gottesdienst fest vor, sich ihren einzigen freien Nachmittag im Monat nicht verderben zu lassen. Außerdem würde ihr dann für einige kostbare Stunden der widerliche Anblick eines gewissen bedenkenlosen Mitgiftjägers erspart bleiben. Sie ließ sich von der Küchenmagd Brot, Käse und einen Apfel mitgeben, stibitzte ein Buch aus der Bibliothek und huschte davon, um alles in Ruhe zu genießen.
Um von niemandem gesehen zu werden, der diesen sonnigen Tag ebenfalls zu einem Spaziergang nutzen mochte, zog sich Thea ein Stück weit in den Wald zurück, der sich auf Rosecombe befand. Unter einer riesigen Eiche ließ sie sich nieder und nahm ihren Imbiss ein. Mit einem zufriedenen Seufzer öffnete sie ihr Buch und vertiefte sich in die Abenteuer der fünf Bennet-Schwestern, deren größte Sorge darin bestand, einen reichen Ehemann zu finden.
In bedrückter Stimmung unternahm Marcus einen ausgiebigen Spaziergang über die Ländereien seines Cousins, während er seine eigene Torheit zu verstehen suchte. Schon zwei Mal hatte er im Begriff gestanden, Miss Rashton um ihre Hand zu bitten, und war jedes Mal im letzten Augenblick davor zurückgeschreckt. Zuerst redete er sich ein, er könne ihr den Zustand seines Vaterhauses nicht zumuten. Dann hatte er sich schon fast dazu durchgerungen, war sogar auf dem Weg zu besagter Dame, da sah er plötzlich Hetty den Gang herunterkommen. Aus irgendeinem Grund ging es danach über seine Kräfte, Miss Rashton schönzutun.
Seine Schulden lasteten immer noch auf ihm, und die Mittel, sich davon zu befreien, waren praktisch nicht vorhanden. Sosehr er sich jedoch zu der einzig möglichen Lösung zu zwingen versuchte, so unmöglich erschien sie ihm jetzt. Gedankenversunken ging er weiter, bis er fast den Rand des kleinen Waldes erreichte, der sich auf Neds Besitz befand. Tief einatmend wurde Marcus plötzlich bewusst, was für ein herrlicher, sonniger Nachmittag es doch war. Von solchen Nachmittagen hatte er als Major mit seiner Armee in den Ebenen Spaniens – halb verhungert, fiebrig und
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