Keine Lady fuer Lord Strensham
ging nicht an, ihren Wohltäter zu verstimmen. Doch noch mehr bedrückte es sie, dass Lord Strensham sich jetzt eine noch schlechtere Meinung über sie gebildet haben musste. Um nicht darüber nachgrübeln zu müssen, warum ihr sein Wohlwollen wichtiger sein sollte als alles andere, schluckte sie gehorsam das Laudanum und wünschte nur, alle gingen endlich und ließen sie allein.
Fast sofort fühlte sie sich besser. Vage überlegte sie, wie schön es doch sein müsste, sich an seine breite Brust zu schmiegen und alles um sich herum zu vergessen. Plötzlich wusste sie auch nicht mehr, warum das nicht möglich sein sollte. Bevor sie merkte, wie ihr geschah, versank sie auch schon in tiefen Schlaf.
7. KAPITEL
Nachdem sich alle davon überzeugt hatten, dass es nichts mehr zu sehen gab, zogen sie sich gehorsam zurück. Nur Marcus blieb noch, getrieben von einer Sorge, die ihn selbst überraschte. Die Etikette verbot es, einem Mädchen Aufmerksamkeit zu schenken, das einem Mann seines Standes eigentlich gleichgültig sein sollte. Doch als Hetty ihn vorhin wie in einem stummen Appell angesehen hatte, wäre er fast an ihre Seite geeilt, um tröstend ihre Hand zu halten. Schließlich riss er sich zusammen, weil er sich daran erinnerte, dass sie ihm seit dem letzten Kuss aus dem Weg ging, als hätte er die Pest. Also wüsste sie sicher auch jetzt seinen Trost nicht zu schätzen.
Er sah, wie sie erschöpft auf die flachen Kissen zurücksank, das lange braune Haar umgab ein sehr blasses Gesicht. Fast erschrocken wurde Marcus sich bewusst, wie sehr er sich danach sehnte, ihr über die weichen Locken zu streichen. Hätte er doch nur das Recht, neben ihr unter das Laken zu schlüpfen, damit sie in seinen Armen schlafen konnte – sicher vor allen Sorgen, die sie quälen mochten.
Die Lage erlaubte ihm allerdings nicht, seinem Wunsch nachzugeben. Ihm blieb nichts anderes zu tun, als sich auf sein Zimmer zurückzuziehen.
Seine Gedanken verweilten jedoch bei Hetty. Konnten die Übergriffe eines lüsternen Dienstgebers sie so verschreckt haben, dass die sie sogar bis in ihre Albträume verfolgten? Irgendwie wollte es ihm nicht einleuchten. Viel eher konnte er sich vorstellen, dass sie jedem Mann, der so unklug war, sie zu beleidigen, voller Entschlossenheit den Kopf zurechtsetzte. Wenn sie hier aber wirklich nur eine Zuflucht suchte – vor welchen Problemen auch immer –, dann besaß er nicht das Recht, sie ihr zu verweigern. Er würde Hetty keine Steine in den Weg legen, aber mehr konnte er nicht tun.
Der Gedanke allerdings, sie könnte sich von einem anderen Mann helfen lassen, bedrückte ihn so sehr, dass er sich noch recht lange in seinem Bett hin und her warf.
Am nächsten Morgen hegte Thea keine besonders freundlichen Gefühle für einen bestimmten faszinierenden Gentleman. Jane verbrachte die Zeit damit, von eben diesem Gentleman in den höchsten Tönen zu schwärmen, statt ihren Teil der Arbeit zu erledigen. Ihre stechenden Kopfschmerzen machten Thea genug zu schaffen, ohne dass sie sich auch noch anhören musste, wie umwerfend der Viscount gestern Nacht ausgesehen hatte. Und das trotz, oder gerade wegen, seines charmant zerzausten Haars und seines nachlässigen Aufzugs, nahm Thea an.
Sie selbst hätte nicht einmal unter der Folter zugegeben, wie sehr sie Marcus’ aufregender Anblick – nur mit Hemd und Hose bekleidet – aus der Fassung gebracht hatte. Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten, als könnte sie seine Haut und die harten Muskeln tatsächlich spüren.
Nachdem die Hausmädchen ihre Arbeit in den Schlafgemächern beendet hatten, wollte Thea fünf Minuten an die frische Luft gehen. Doch in diesem Moment erschien der Butler mit der finsteren Miene eines Mannes, der schlechte Nachrichten überbringen musste.
„Jane, du wirst im Speisezimmer verlangt“, teilte er dem Hausmädchen mit, das sofort loseilte. „Und du bringst Ihrer Ladyschaft ein Tablett hinaus, Hetty. Sie hat böse Kopfschmerzen und möchte ihren Tee trinken. Lass nur nichts fallen“, fügte er streng hinzu. Sein Blick machte Thea deutlich, dass ihr Lady Darraines Kopfschmerzen offenbar zur Last gelegt wurden.
Demütig machte sie einen Knicks, aber insgeheim wurde ihr trotz aller Sorgen das Herz leicht, sobald sie mit dem Tablett in den Sonnenschein hinaustrat.
„Oh, vielen Dank, Hetty“, sagte Lydia leise, als Thea in die Gartenlaube kam.
Nachdem sie das Tablett auf dem gusseisernen Tisch abgestellt hatte, knickste Thea
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