Keine Lady fuer Lord Strensham
bescheiden. „Es tut mir sehr leid, Mylady.“
Lydia schenkte sich eine Tasse wohl duftenden Tees ein und nippte mit offensichtlichem Genuss daran, ohne auf die verführerischen Leckerbissen zu achten, die die Köchin dazugestellt hatte.
„Was tut Ihnen leid?“, fragte sie geistesabwesend.
„Dass ich gestern den ganzen Haushalt geweckt und Ihnen Kopfschmerzen verursacht habe.“
„Die Schuld dafür trifft wohl eher die nächste Generation der Darraines“, sagte Ihre Ladyschaft schmunzelnd.
Plötzlich ergaben viele Dinge einen Sinn, die Thea bisher nicht aufgefallen waren, weil sie zu sehr mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt gewesen war. Deswegen also konnte Lady Darraine nicht nach Brighton reisen oder im stickigen London bleiben. Sie erwartete den lang ersehnten Erben.
„Sehr viel länger werde ich es wohl nicht mehr verbergen können.“
„Von mir wird es niemand erfahren, Mylady.“
„Sie sind ein gutes Mädchen, Hetty.“
„Danke, Mylady.“
„Der Tee hat mir gut getan. Aber das Gebäck nehmen Sie bitte fort, bevor mir wieder unwohl wird.“
„Jawohl, Mylady. Sollte mich jemand fragen, habe ich Sie nicht gesehen.“
„Es sei denn, Sir Edward hat seinen Pflichten auch entfliehen können.“
„Selbstverständlich, Mylady.“
Thea wusste nur allzu gut, wie es war, sich nach einem Mann zu sehnen. Zwar gab sie sich große Mühe, ihre Herrin nicht zu beneiden, doch sie machte sich nichts vor. Sie würde nie die Gewissheit haben, einen Mann zu lieben, der ihre Liebe erwiderte. Jedenfalls hat es keinen Zweck, das Unmögliche herbeizusehnen, schalt sie sich.
Um sich von ihren düsteren Gedanken abzulenken, nahm sie sich auf dem Rückweg die Zeit, die hübschen Gartenwege zu bewundern, die Sir Edwards Ahnen hatten anlegen lassen. Fast wäre sie mit Lord Strensham, der aus der anderen Richtung kam, zusammengestoßen.
„Das trifft sich sehr gut. Ich möchte mit dir reden.“
Im Gegensatz zu mir, dachte sie beunruhigt.
„Hast du dich erholt?“, fragte er sie zu ihrer Verblüffung.
„Es geht mir sehr gut, Mylord“, schwindelte sie.
„Was hatte der Aufruhr gestern Nacht dann zu bedeuten?“
Wenn er den Befehlston des Offiziers annahm, war nicht mit ihm zu spaßen. Thea suchte verzweifelt nach einer Ausrede. „Die Hitze hat mir fürchterlich zu schaffen gemacht, Mylord.“
„Tatsächlich? Ja, es war fast so heiß wie in den Nächten davor. Meinst du nicht auch?“
„Doch. Ich stimme Ihnen da vollkommen zu.“
Er nickte grimmig. „Was also hat dir gestern so besonders zu schaffen gemacht?“
Es kam nicht oft vor, aber jetzt war Thea doch um eine Antwort verlegen. Bevor sie sich eine Geschichte ausdenken konnte, kam er ihr zuvor.
„Wer hat dir wehgetan, Hetty?“, fragte er ernst.
Stumm sah sie ihn an. Fast könnte man meinen, ihm läge wirklich etwas an mir, dachte sie. Die Versuchung war groß, ihm von ihren Sorgen zu erzählen.
„Dass ich das noch mal erlebe“, scherzte er. „Hetty hat es die Sprache verschlagen.“
Mit einem hilflosen Schulterzucken antwortete sie: „Scheint so.“ Gleichzeitig wünschte sie sich sehnlich, sich an ihn zu schmiegen und seine starken Arme um sich zu spüren.
„Ich weiß nur nicht, ob das in diesem Fall ein Segen ist.“
„Ich auch nicht, Mylord.“
Wieder herrschte Schweigen, nur schienen die Worte, die unausgesprochen in der Luft hingen, auf ihnen zu lasten wie Blei. Unruhig senkte Thea den Blick. Im letzten Moment entschied sie, sich Marcus lieber nicht anzuvertrauen, da sie sich damit nur unnötig in Gefahr bringen würde.
Miss Rashtons plötzliches Erscheinen erstickte jede weitere Unterhaltung im Keim.
„Ach, hier sind Sie, Lord Strensham.“
„Ja, hier bin ich, Miss Rashton“, antwortete er mit sanfter Stimme und wappnete sich für ihren nächsten Gemeinplatz.
„Was für eine Dreistigkeit! Warum spaziert Lady Darraines Dienstmagd im Garten umher, als hätte sie nichts anderes zu tun?“
„Das ist mir auch schleierhaft. Vielleicht fragen Sie sie selbst?“
Sosehr es sie in den Fingern juckte, Miss Rashton eine besonders handfeste Antwort zu geben, beschloss Thea doch lieber, das Feld wortlos zu räumen. Allerdings war es schon zu spät.
„Nun, was bringt dich her, Mädchen? Und warum belästigst du Seine Lordschaft auf so schamlose Weise?“
Thea knickste so demütig, wie es ihr mit dem schweren Tablett in den Händen möglich war. Einen Moment lang fürchtete sie, sie würde nicht in der Lage sein, sich wieder
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