Keine Lady fuer Lord Strensham
zu erheben, ohne das Tablett fallen zu lassen. Doch Marcus stützte sie träge mit einer Hand und ließ sie genauso lässig wieder los. Wie konnte er nur so unbeteiligt aussehen, während ihr selbst schon diese kleine Berührung den Atem nahm?
„Wenn du das Knicksen unterlässt, während du uns über deine Anwesenheit aufklärst, Hetty, bleibt Lydias Porzellan vielleicht doch noch unversehrt“, bemerkte er spöttisch.
Thea hoffte inbrünstig, dass die abscheuliche Erbin ihn erhören würde. Verdient hatte er sie.
„Jawohl, Mylord. Sie ha’m sicher recht. Wie immer“, erwiderte sie unverschämt mit betont breitem Akzent.
„Natürlich hat er recht, dummes Ding. Und jetzt rechtfertige dich, wenn du kannst, und halte uns nicht länger auf.“
„Man sagte mir, ich soll Ihre Ladyschaft finden, Miss.“
„Und? Hast du sie gefunden?“
„Oh nein, Miss“, antwortete Thea mit unschuldigem Augenaufschlag.
„Wie ich sehe, ist aus dieser Tasse jedoch getrunken worden“, konterte Miss Rashton. „Ich bin sicher, du hast dir überhaupt nicht die Mühe gemacht, richtig nach Lady Darraine zu suchen.“
„Immerhin dachte sie daran, wie schade es wäre, den schönen Tee zu vergeuden“, warf Marcus gelassen ein.
„Deine Herrin wird von deiner Frechheit erfahren, und jetzt geh an die Arbeit“, befahl die erboste Dame hitzig.
„Aber erst, nachdem du meinem Cousin mitgeteilt hast, dass wir einen Spaziergang am See zu unternehmen gedenken“, fügte Marcus noch rasch hinzu.
Thea drückte sich gehorsam in die Büsche, um die beiden Herrschaften an sich vorbeizulassen. Da er hier war, um ein Vermögen zu heiraten, kam es ihr recht seltsam vor, dass er sich so sehr gegen die traute Zweisamkeit mit seiner reichen Erbin zu sträuben schien. Fast hatte man den Eindruck, er wollte das Tête-à-Tête von seinem Cousin unterbrechen lassen. Thea machte sich schnell auf, seinen Auftrag auszuführen.
Später am Nachmittag gesellte Marcus sich zu Ned in die Bibliothek – hier war er zumindest vor Miss Rashton sicher. Trotzdem wollte ihn nicht die Ruhe erfüllen, die er hier sonst immer fand. Zu lebhaft erinnerte ihn dieser Ort an eine ganz andere Frau.
„Himmel noch mal, setz dich endlich und lauf nicht ständig hin und her. Du wirst noch meinen Teppich abnutzen“, sagte Ned schließlich ungeduldig. „Was ist los mit dir?“
„Rette mich irgendwie aus dieser verzwickten Lage, und ich verspreche dir, ich bleibe so lange ruhig sitzen, wie du willst.“
„Ich sage es ja nur ungern, Marcus. Aber ich habe dich gewarnt“, erwiderte Ned spöttisch.
„Warum fällt es mir nur so schwer, die bittere Pille zu schlucken?“, rief Marcus, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
„Die Rashton könnte selbst Napoleon das Fürchten lehren. Du erwartest doch wohl hoffentlich nicht von uns, dich zu besuchen, falls du sie heiratest.“
„Soll ich lieber das junge Ding heiraten, das Lydia in einem Anfall von Schwachsinn für mich eingeladen hat?“, fuhr Marcus auf.
„Nein, ich würde dir eher zur Witwe raten.“
Kopfschüttelnd setzte Marcus sein Auf und Ab fort. „Die möchte eine Liebesheirat eingehen. Und das kann ich ihr leider nicht bieten. Die Rashton werde ich wenigstens nicht verletzen.“
„Tja, was für ein Pech, dass du dich dann nicht dazu durchringen kannst, ihr auch einen Antrag zu machen, was?“
„Es heißt nun mal, entweder sie oder der völlige Ruin. Colins Zukunft und das Wohlergehen aller Diener, die auf mich angewiesen sind, hängen davon ab, ob ich einen Weg aus diesem Schlamassel finde.“
„Aber es muss doch einen anderen Weg geben als ausgerechnet die Heirat mit einem solchen Eisklotz, Marcus“, wandte Ned ein.
„Wenn dir einer einfällt, bist du klüger als ich.“
„Was ist denn mit deinem Land? Coke of Norfolk hat seinen heruntergekommenen Besitz auch so lange bearbeitet, bis er Gewinn abwarf, und machte am Ende ein Vermögen.“
Marcus schüttelte den Kopf. „Du kennst den Zustand meiner Felder nicht.“
„Der Boden ist gut, und das ist das Wichtigste.“
„Es hat keinen Zweck. Glaubst du denn, ich hätte diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen? Colin wird bald mit dem Studium fertig sein und heiraten wollen. Wo soll er mit seiner Frau leben?“
„Ach, es gibt doch genügend Platz für ein Dutzend Familien auf deinem Gut.“
„Mitten im Staub und der Verwahrlosung, die ich nicht die Mittel habe, zu beseitigen? Keine vernünftige Frau wäre bereit, an so einem Ort zu
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