Keine Panik Prinzessin
aufgeregt darüber – und warfen mir besorgte Blicke zu.
»Na bitte«, sagte Lilly achselzuckend. »Es funktioniert. Alle steigen total drauf ein. Sie werden dich wählen, weil sie darauf vertrauen, dass du auf alles eine Antwort weißt. Und jetzt mal ehrlich, angenommen, Indian Point würde wirklich explodieren – was würdest du machen?«
»Sicherstellen, dass alle mit Jodtabletten versorgt sind, die sie innerhalb der darauf folgenden paar Stunden nehmen können, damit ihr Körper möglichst wenig radioaktive Strahlung aufnimmt. Außerdem sollten alle Wasservorräte, Nahrungsmittel in Dosen und Medikamente für ein paar Wochen im Haus haben, damit sie bei abgeschalteter Klimaanlage im Gebäude bleiben können, bis das Schlimmste vorbei ist«, antwortete ich automatisch.
»Und im Fall eines Erdbebens?«
»Sollten sich alle unter einen Türrahmen stellen oder unter einem stabilen Möbelstück Schutz suchen. Sobald die Erde sich wieder beruhigt hat, muss als Erstes Wasser, Strom und Gas abgestellt werden.«
»Und falls die Vogelgrippe ausbricht?«
»Natürlich müssen alle sofort Tamiflu nehmen, darauf achten, sich immer die Hände zu waschen, einen Mundschutz tragen, keine öffentlichen Telefone benutzen, sich nicht an Geländern festhalten und große Menschenansammlungen meiden – zum Beispiel den Sommerschlussverkauf bei Macys oder die U-Bahnen während der Hauptverkehrszeit.«
Lilly sah mich triumphierend an. »Siehst du? Ich hab mir das doch nicht einfach so ausgedacht. Du weißt wirklich, was im Katastrophenfall zu tun ist. Mir war das natürlich klar, weil du ja eine notorische Schwarzseherin bist und deshalb wahrscheinlich der Mensch bist, der von allen Menschen in Manhattan am besten auf Katastrophen jeglicher Art vorbereitet ist. Es hat keinen Sinn, es zu leugnen, Mia. Du hast uns allen gerade den Beweis geliefert.«
Danach war ich ziemlich sprachlos. Obwohl alles stimmte, was Lilly gerade gesagt hatte, hatte ich trotzdem irgendwie das Gefühl, dass es falsch war. Dass wir den Neuntklässlern so eine Angst machten, meine ich. Im Laufe der Mittagspause kamen drei von ihnen auf mich zu und wollten wissen, was ich tun würde, falls auf dem Time Sqare eine schmutzige Bombe explodiert (allen Schülern sagen, dass sie erst einmal in den Klassenräumen bleiben sollen, bis uns die Erlaubnis erteilt wird, das Gebiet zu verlassen, und dafür sorgen, dass alle ihre Kleidung ausziehen und entsorgen, sobald sie nach Hause kommen, und sich anschließend gründlich mit Wasser und Seife waschen) oder New York von einem Hurrikan heimgesucht wird (ganz einfach: schnellstens das Weite suchen und nicht vergessen, die Katze mitzunehmen).
Vielleicht hat Lilly ja doch recht. Es könnte wirklich sein, dass die Leute sich in unsicheren Zeiten wie diesen nach einer Führungspersönlichkeit sehnen, die sich bereits über alles, was passieren kann, Gedanken gemacht hat und deshalb auf sämtliche vorstellbare Katastrophen vorbereitet ist. So müssen sie sich selbst keine Gedanken mehr machen und können sich ganz dem Spaß des Lebens widmen.
Vielleicht ist das ja der Grund, warum ich auf der Welt bin – nicht, um Prinzessin von Genovia zu sein, sondern um mir Sorgen zu machen, damit die anderen sich keine Sorgen mehr machen müssen.
Donnerstag, 9. September, T&B
Lilly hat mir gerade ihr Abschiedsgeschenk für ihren Bruder gezeigt. Einen Reisekoffer für seine »Magic: Die Zusammenkunft«-Sammelkarten, damit er sie nach Japan mitnehmen kann, ohne sie durcheinanderzubringen. Ich hab es nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass
a) Michael mit den Magic-Karten schon lange nicht mehr spielt
– und –
b) nicht nach Japan gehen wird, weil ich plane, ihm einen sehr, sehr guten Grund zu liefern, warum es besser für ihn wäre, hier in Manhattan zu bleiben.
Na ja, eigentlich lag es nicht daran, dass ich es nicht übers Herz gebracht hätte, es ihr zu sagen. Ich hab es ihr nicht gesagt, weil ich mich nicht von ihr zusammenschlagen lassen wollte. Sie geht seit Neuestem ins Fitnessstudio (auch ein Grund für die verlorenen Kilo), macht Spinning und praktiziert mit ihrer Mutter Ayurveda. Jemanden, der bereit ist, sich den nackten Körper von einem Fremden mit Öl und Attar einreiben zu lassen, möchte ich lieber NICHT wütend erleben.
Dabei fällt mir ein: Ich muss vor heute Abend unbedingt noch ein Ganzkörperpeeling machen. Irgendwie komisch. Ich bin gar nicht so nervös, wie man
meinen sollte. Aber das zeigt
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