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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Längsseite des Fußballfeldes ab. Es waren siebenundsiebzig Schritte, er hätte
     dasselbe auch gerne mit der Stirnseite gemacht, aber er wagte nicht, auf der Umgrenzungsmauer entlangzubalancieren. Er musste
     es also am Grund abmessen. Der Spielfeldrand bildete kein genaues Rechteck, sondern ein Trapez, aber das war Marco Luciani
     egal. Ihn interessierte der Schnittpunkt der mittleren Geraden, die das Feld in Längs- und Querrichtung teilten. Er maß an
     der Seitenauslinie wieder achtunddreißig Schritt ab. Die Stelle korrespondierte grob mit dem Schriftzug »Umkleiden«, den man
     immer noch auf der gegenüberliegenden Wand lesen konnte. Er atmete tief ein und tauchte vorsichtig in das Meer aus taufeuchtem
     Unkraut, wobei er tropfnass wurde. Er zählte die Schritte der Stirnseite |395| bis kurz vor den Umkleiden, ging den halben Weg zurück und blieb genau in der Mitte des Platzes stehen. Er breitete die Arme
     aus, drehte sich vier, fünf Mal um sich selbst, bis er einen leichten Schwindel spürte.
    Er lachte laut, fühlte sich leicht und glücklich. So musste sich die Prophetin von Delphi gefühlt haben, wenn sie sich auf
     den Omphalos setzte, den Nabel der Welt, und die Dämpfe einatmete, die aus dem Zentrum der Erde aufstiegen und ihr die Botschaften
     des Gottes Apoll zutrugen. Oder, noch früher, die der Themis.
    Er holte die Gummihandschuhe aus der Tasche und fing an, das Unkraut auszurupfen. Das Jucken an den Fesseln machte ihn schon
     wahnsinnig, und nachdem er gut zwei Quadratmeter Fläche freigeschafft hatte, überkam ihn ein Niesanfall, der nicht mehr aufhören
     wollte.
    Er ruhte zehn Minuten aus, wartete, dass die Augen zu tränen aufhörten, dann nahm er den Pickel, holte weit über den Kopf
     aus und führte den ersten satten Schlag.
    »Solange der Ball im Anstoßkreis liegt, ist noch alles möglich«, hatte Marietto in dem Brief geschrieben, den er ihm hinterlassen
     hatte. »Das ist ein magischer Punkt, und ein magischer Zeitpunkt, der einzige, an dem die Waagschalen der Gerechtigkeit in
     absolutem Gleichgewicht sind.«
    Die Arbeit war anstrengend, aber weniger anstrengend als erwartet, da die ausgiebigen Regenfälle der letzten Tage den Boden
     aufgeweicht hatten. Marco Luciani grub ein Loch von ungefähr anderthalb Meter Durchmesser und dreißig Zentimeter Tiefe. Dann
     ließ er den Pickel fallen – Marietto konnte nicht allzu tief gekommen sein – und machte vorsichtig mit dem kleinen Stahlspaten
     weiter. Es war fast elf, als er auf etwas Hartes stieß und sofort merkte, dass es nicht der soundsovielte Stein war. Sein
     Herz fing an, heftig zu schlagen, und Marco Luciani schob sich wieder in das Loch, das inzwischen fast einen halben Meter
     tief war. Er buddelte, |396| kratzte und hebelte, und nach etwa einer weiteren halben Stunde Plackerei konnte er endlich ein in blaues Wachstuch gewickeltes
     Bündel aus dem Erdreich befreien. Er bedauerte, dass Calabrò, Iannece, Vitone und auch Valerio jetzt nicht bei ihm waren,
     sie waren wirklich fähige Burschen, die einen Schutzring um ihn errichtet hatten, ohne irgendwo die Pferde scheu zu machen.
     Und ich hätte gern, dass auch Giampieri hier wäre, dachte er, denn diesmal wäre ihm wirklich die Kinnlade runtergefallen.
    Wieder bekam er einen Niesanfall, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Als er wieder normal atmen und sehen konnte, kniete
     er sich auf den Boden, öffnete das Bündel, doch das Erste, was er zu seinem großen Erstaunen sah, war eine völlig brüchige,
     schwarz-weiß gestreifte Kappe mit der Nummer 515. Als er sie anhob, begegnete der Blick der Themis zum ersten Mal nach all
     den Jahren wieder dem eines gerechten Mannes.

[ Menü ]
    |397| Epilog
    Erster Mai
     
    Er schloss die Sporttasche und schaute zum x-ten Mal auf die Uhr. Halb acht. Zeit zu gehen. Im Garten miaute immer noch die
     Katze, das tat sie, seit der Kommissar aufgestanden war. Er fand, es sei ein bisschen früh für die Paarungszeit.
    Er überprüfte noch einmal, ob in seiner Jacke die Sicherheitsnadeln zum Festheften der Startnummer waren, dann schloss er
     die Glastür und ging hinaus. Die Katze jammerte immer noch, ein langes Miauen, das wie das Weinen eines Kindes klang. Es wurde
     lauter, je näher er dem Kiesweg kam.
    In diesem Moment entdeckte er den Korb, genau vor dem Tor. Sein Herz setzte einen Schlag aus, in Sekundenschnelle erfasste
     ihn Panik. Er ließ die Tasche fallen und öffnete das Tor, während das Weinen aus dem Korb noch

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