Keine Pizza für Commissario Luciani
vertan und mein richtiges Alter genannt. Daraus hat er geschlossen, dass ich nicht Pieros
Tochter sein kann.«
»Du lieber Himmel.«
»Zum Glück halten ihn da drinnen alle für durchgeknallt, und so hat keiner Verdacht geschöpft. Aber ich setze da keinen Fuß
mehr rein.«
Er hätte am liebsten das Handy an die Wand geschmissen und losgebrüllt. »Komm, jetzt beruhig dich erst mal«, sagte er stattdessen.
»Wir wollen nichts überstürzen.«
»Von wegen überstürzen, Ludovico! Geh doch du ins Altersheim und such diesen verschissenen Schädel! Was kümmert mich der ganze
Mist? Was hab ich davon? Wann tust du eigentlich endlich mal was für mich?« Nicht einmal ein Jahr, dachte Ludovico Ranieri.
Nicht einmal ein Jahr hatte sie gebraucht, um wie seine Frau zu werden. Oder schlimmer.
»Hör mal, Kleines.«
»Nenn mich nicht Kleines! Ich bin nicht klein. Ich bin eine erwachsene Frau und habe das Recht zu erfahren, ob ich hier nur
meine Zeit verschwende oder mir eine Zukunft aufbaue. Unsere Zukunft. Ich habe wichtige Arbeitstermine versäumt, um jedes
Mal, wenn du gerade frei warst, |207| zu dir zu rennen. Ich habe kein eigenes Zuhause, sehe meine Freunde nicht mehr. Und jetzt werde ich wieder einmal allein Silvester
feiern, während du bei deiner Frau sitzt, die du angeblich schon vor sechs Jahren verlassen wolltest.«
Dumme Kuh, dachte Ludovico wütend. Er ertrug sie nur noch, weil er hoffte, diesen verfluchten Kopf zu finden, und jetzt, da
das Spiel aufgeflogen war, brachte sie ihm keinerlei Nutzen mehr.
»Ich hätte sie verlassen, vor sechs Jahren. Aber jetzt ist es nicht mehr so einfach.«
Er hörte, dass Sabrina leise zu weinen begonnen hatte. Die Nerven gingen mit ihr durch. Er musste mit ihr Schluss machen,
bevor sie irgendeine Dummheit anstellte.
»Ich muss dich sehen, Ludovico. Warum kommst du an Silvester nicht zu mir? Nur ich und du, ich koche uns was Schönes. Es gibt
so viel, worüber wir reden müssen.«
»Hör mal, an Silvester kann ich nicht, daran ist nicht zu rütteln. Ich kann aber versuchen, mich am Abend davor freizumachen.
Ich komme zu dir, und wir bereden alles in Ruhe.«
»In Ruhe?«, sagte Sabrina. »Ich glaube, ich habe genug Geduld gehabt. Ich werde nicht noch ein Jahr warten, Ludovico. Ich
werde nicht einmal mehr sechs Monate warten. Denk dir irgendeinen Vorwand aus, mach, was du willst, aber dieses Silvester
musst du mit mir verbringen!«
Sie legte auf, spürte wieder die Übelkeit hochsteigen und rannte ins Bad, um sich zu übergeben. Du bist ein verfluchtes Arschloch,
dachte sie. Und dein Kind scheint ganz nach dir zu geraten.
|208| Vierunddreißig
Luciani
Genua, heute
»Ein alter Fischer, der sich in Ligurien das Leben genommen hat, und eine unter mysteriösen Umständen in Rom ermordete junge,
attraktive Frau. Zwei scheinbar für sich stehende Bluttaten geraten nun durch eine sensationelle Entdeckung in Zusammenhang:
Der 78-jährige Giuseppe Risso, genannt Marietto, dessen Leiche am 31. Dezember auf einem Strand bei Camogli gefunden wurde,
kannte Sabrina Dongo, die 29 Jahre junge Journalistin, die am Abend des 30. mit drei aus unmittelbarer Nähe abgegebenen Pistolenschüssen
in ihrem Wohnzimmer getötet wurde. Die bildhübsche junge Frau, eine ehemalige Schauspielerin, war vor einigen Monaten in dem
Seniorenheim aufgetaucht, in dem Risso lebte, und hatte sich als seine Nichte ausgegeben, von deren Existenz dieser bis dato
nichts wusste. Sie hatte sich das Vertrauen des geistig nicht mehr ganz klaren alten Mannes erworben, vermutlich in der Hoffnung,
von ihm Informationen über eine lange zurückliegende Geschichte aus Kriegszeiten zu bekommen. Irgendwie musste Risso den Betrug
jedoch entdeckt haben, denn Zeugen berichten, dass er der jungen Frau gedroht habe. Wenige Tage später stöberte er sie in
Rom auf und tötete sie mit einer Pistole, die er wohl seit dem Krieg illegal aufbewahrte. Nach Ligurien zurückgekehrt, muss
er sich seiner Tat bewusst geworden sein, und so nahm er sich mit derselben Waffe das Leben.
Dies ist die Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft in Genua, zwei Tötungsdelikte betreffend, die womöglich nie aufgeklärt
worden wären, hätte Kommissar Lucianis außerordentlicher |209| Spürsinn nicht dafür gesorgt, dass sie schnell zu den Akten gelegt werden können. Von jedem Verdacht reingewaschen ist dagegen
Patrick Diakhaté, der bis dahin einzige Mordverdächtige im Fall Sabrina Dongo. Der
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