Keine Pizza für Commissario Luciani
eine Agentur.«
»Was für eine Agentur? Privatermittlungen?«
»Ja, unter anderem. Es wurden aber auch Dienstleistungen im weiteren Sinn angeboten. Lösung von Problemen. Aufspüren verschwundener
Personen. Hilfe bei Geschäftsabschlüssen. Die Ohren offenhalten und Informationen sammeln. Wir Frauen kommen in diesem Bereich
viel weiter als Männer. Wir sehen uns als … Kopfgeldjägerinnen.«
Der Kommissar lachte auf. Er kannte die besonderen |212| »Dienstleistungen« nur zu gut, mit denen sie Informationen einholten. »Und wie nennt ihr euch? Zwei Engel für Charlie? Oder:
Tutti frutti?«
Sofia Lanni liebte Marco Lucianis Sinn für Humor. Manchmal jedoch überschritt er die schmale Grenze zwischen Zynismus und
Boshaftigkeit.
»Okay. Es war ein Fehler, dich anzurufen. Du bist immer noch zu sauer auf mich.«
Marco Luciani wollte schon sagen, nein, er sei kein bisschen sauer, aber das stimmte nicht, das stimmte ganz und gar nicht.
Und das war auch richtig und gesund, während falsch und ungesund war, dass er, trotz allem, allein schon beim Klang von Sofia
Lannis Stimme wie ein Schulbub hochschreckte.
»Hör mal. Wenn du Informationen zu dieser Geschichte hast, dann sprich mit meinen Kollegen in Rom. Der Fall liegt jetzt bei
ihnen.«
»Aber die wollen ihn so schnell wie möglich abschließen. Du dagegen könntest …«
»Was könnte ich? Ich habe es satt, den Don Quichotte zu spielen! Ihre Rekonstruktion ist logisch, deine Freundin Sabrina hat
irgendeine krumme Tour versucht – was für eine, will ich gar nicht wissen – und ist dabei an den falschen Rentner geraten.«
»Komm, Marco, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er es war.«
»Mir bleibt nichts anderes übrig, Sofia. Noch einmal: Wenn du weißt, dass es jemand anders war, dann zeig ihn an.«
»Mir sind die Hände gebunden, Marco. Ich habe ein dickes Problem. Und ich habe Angst. Ich will nicht wie Sabrina enden. Ich
kann dir aber die Telefonnummer von jemandem geben, der vieles weiß und dir alles erklären kann. Kannst du nach Rom kommen?«
|213| Der Kommissar gab ein sarkastisches »Ach!« von sich. »Weiter nichts? Nein, ich kann nicht nach Rom kommen. Ich habe einen
Job, und mein Urlaub ist aufgebraucht.«
Sofia schwieg. Marco Luciani hörte einen Moment ihrem Atem zu, wie er es getan hatte, wenn sie neben ihm schlief und er, auf
einen Ellbogen gestützt, ihr Profil betrachtete und nicht glauben konnte, dass dieses sagenhafte Geschöpf die Nacht in seinem
Bett verbrachte.
»Einverstanden«, sagte er schließlich, »gib mir Namen und Nummer von diesem Typen.«
Sie diktierte sie ihm. »Ruf ihn so schnell wie möglich an, Marco.«
»Eigentlich wollte ich das den Kollegen in Rom überlassen.«
»Nein!«, schrie Sofia Lanni mit Panik in der Stimme. »Nein, Marco, bloß das nicht. Schwör mir, dass du das nicht tust!«
»Okay, beruhige dich. Ich wollte nicht … Da unten gibt es einen Inspektor, dem ich vertraue und …«
»Das ist eine finstere Geschichte, Marco. Äußerst finster. Wenn du dir nicht zutraust, die Sache anzupacken, dann lass es.
Verbrenn die Nummer und vergiss alles.«
Marco Luciani schwieg eine Weile. Sein Herz pumpte das Blut jetzt schneller durch die Adern, er fühlte sich quicklebendig.
Sein Hirn aber sagte ihm, er solle Sofia nicht auf den Leim gehen, sofort auflegen und sich Scherereien ersparen. So wie er
sie kannte, brauchte es ihr nicht wirklich um Sabrina zu gehen. Vielleicht hatte sie sich mit dem Anruf nur vergewissern wollen,
dass die Ermittlungen tatsächlich abgeschlossen waren.
»Eben, vergessen wir’s«, sagte er. »Der Fall geht mich nichts mehr an, und diese Sabrina kannte ich noch nicht einmal. Warum
sollte ich mich ihretwegen in die Nesseln setzen?«
|214| »Weil du, als ich dich kennenlernte, ein guter Mensch warst. Ein aufrechter Kerl«, fuhr Sofia ihn an.
»Nein, ich war nur ein naiver Trottel.«
Wieder folgte langes Schweigen.
»Sie war, auch wenn sie Fehler gemacht hat, ein anständiges Mädchen.« Sofias Stimme war nur noch ein Flüstern.
Na logo, dachte Marco Luciani, genau so ein anständiges Mädchen wie du.
»Dann mach dir keine Sorgen: Sie ist jetzt schon im Paradies«, sagte er und legte den Hörer auf.
|215| Fünfunddreißig
Ranieri
Rom, 28. Dezember
»Hallo?«
»Ich bin’s.«
»Ach du, mein Lieber. Wie? In Rom bist du? Wer? Ich verstehe nicht. Moment, ich kann dich kaum hören, hier ist so ein Lärm,
ich gehe mal in ein anderes
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