Keine Pizza für Commissario Luciani
senegalesische Mitbürger unterhielt eine
Beziehung zu dem Mädchen und war bis wenige Minuten vor der Tat mit ihr zusammen, wodurch zwangsläufig der Hauptverdacht auf
ihn fiel.
Staatsanwalt Giacomo Sasso hat die Akte an die Staatsanwaltschaft in Rom überstellt, in deren Kompetenzbereich sie jetzt fällt,
weil das erste Verbrechen in der Hauptstadt verübt wurde. Da die Kugel, durch die Giuseppe Risso getötet wurde, nicht gefunden
wurde, ist ein Abgleich mit denen in Frau Dongos Leiche nicht möglich. Aber auch ohne diesen letzten Beweis können kaum noch
Zweifel über den Ablauf der Taten bestehen. Den Männern der Mordkommission in Rom müssten wenige Tage genügen, um die letzten
Puzzlesteine einzufügen.«
Marco Luciani schlug die Zeitung zu. Er war nicht zur Pressekonferenz erschienen, denn es wäre unschön gewesen, hätte er Punkt
für Punkt die Behauptungen des Staatsanwalts widerlegt. Dass aber die Zeitungen seinen Namen so herausgestellt hatten, war
ziemlich aufschlussreich: Sasso und Iaquinta mussten den Reportern eingeschärft haben, dass der Kommissar zitiert und gelobt
werden müsse, und da alles auf der Welt seinen Preis hatte, war nur zu offensichtlich, dass er mit diesem Zuckerl handzahm
gemacht werden sollte. Er durfte die Komplimente kassieren und die feierliche Belobigung, die ihm Polizeichef Iaquinta versprochen
hatte, schön hübsch gerahmt, damit er sie sich gleich an die Wand nageln konnte.
Am liebsten würde ich euch an die Wand nageln, ihr Arschgeigen, dachte Luciani. Die ihr immer bereit seid, die |210| Fälle mit der simpelsten, bequemsten Erklärung abzuhaken, zu Frommen des Publikums und eurer politischen Überväter. Ob es
die Wahrheit oder ein kolossales Kuckucksei ist, das geht euch sonst wo vorbei.
Er wollte sich gerade einen Kaffee holen, als sein Handy klingelte. Mit der Nummer auf dem Display konnte er nichts anfangen.
»Hallo«, sagte er, und kaum hörte er die Stimme am anderen Ende, wurde sein Blut so flüssig wie das von San Gennaro.
»Sofia?«
»Keine Namen, bitte. Ruf mich über eine sichere Verbindung unter dieser Nummer an«, sagte sie, ehe sie auflegte.
Marco Luciani blieb einige Sekunden wie angewurzelt sitzen. Alles war so schnell gegangen. War es wirklich passiert? Oder
hatte er so lange und intensiv an sie zurückgedacht, dass er schon halluzinierte? Sein Herz schlug wie wild, also konnte er
es nicht nur geträumt haben. Sofia Lanni hatte angerufen.
Was zum Geier will die denn jetzt?!, fluchte er und hieb mit der Faust auf den Tisch. Was meint die denn, wem zum Henker sie
Befehle geben kann?! Sichere Verbindung, sagt sie. Weil sie gern Geheimagent spielt. Leck mich doch, du dumme Zicke.
Vaffanculo !
Was glaubst du denn? Dass du dich monatelang tot stellst, und kaum rufst du an, stehe ich Gewehr bei Fuß? Leck mich! Ich hoffe,
du steckst bis zum Hals in der Scheiße. Das heißt, ich weiß, dass es so ist, warum sonst hättest du mich angerufen? Sieh zu,
wie du klarkommst. Du weißt so gut, wie man die Leute in die Scheiße reitet – ich hoffe, dass es diesmal dich erwischt hat.
Nicht ums Verrecken werde ich auch nur einen Finger rühren, um dich da rauszuholen.
Er fluchte ungefähr noch satte fünf Minuten, genau so lang, wie er brauchte, um seine Jacke zu greifen, in den erstbesten |211| Tabakladen zu rennen und eine Telefonkarte zu kaufen, eine Telefonzelle zu suchen und die vom Handy gespeicherte Nummer anzurufen.
»Das hat aber gedauert!«, sagte sie.
»Hör mal, Sofia, weißt du, was du mich kannst …«
»Keine Kraftausdrücke, Marco. Ich muss dir etwas äußerst Wichtiges sagen.«
Ihr Tonfall verriet Angst, nein Panik, und die absolute Tragweite dieses Telefonats. Der Kommissar beschloss, seine Vorwürfe
auf später zu verschieben, und sagte nur: »Ich höre.«
»Ich habe gerade gelesen, dass du die Ermittlungen zum Tod des Fischers praktisch eingestellt hast. Und folglich auch die
zu Sabrina Dongos Tod.«
»Das war nicht meine Entscheidung.«
»Dachte ich mir. Du bist zu gut, um nicht zu merken, dass diese Geschichte viel komplexer ist, als sie scheint.«
»Kanntest du sie?«
Sofia seufzte. »Sabrina? Nicht persönlich. Aber jemand, der sie kannte, hat mich kontaktiert und um Hilfe gebeten.«
»Warum gerade dich?«
»Weil wir beide in derselben Branche tätig sind. Offiziell arbeitete Sabrina als freie Journalistin, sie hatte gute Verbindungen
zur RAI, in Wirklichkeit hatte sie aber
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