Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich ...: Der Jakobsweg aus Sicht eines Rheinländers (German Edition)
in der Bodega ein. Sofern man sich den Satz „Tiene un poquito de vino para un peregrino muerto de sed, por favor?“ (Haben Sie ein bisschen Wein für einen zu Tode durstigen Pilger bitte?) merken kann, so der Pilgerführer, erhält man hier einen kostenlosen Schluck Wein. Nachdem Eike sich vor mir der Versuchung hingibt, den Satz fehlerfrei sprechen zu wollen und dabei eine Glanzleistung hinlegt, jedoch nur auf den Preis von 1 Euro hingewiesen wird, erspare ich mir den Bohei und bitte höflich auf Spanisch um ein Glas Wein. (Quisiera una glasé de Vino tinto por favor!) Das dazu gereichte Tapas ist auch bitter nötig … das kleine Gläschen enthält einen schönen schweren Rioja, der es in sich hat. Für die Toiletten „darf“ man übrigens quer durch die Weinproduktion laufen. In Deutschland wären dafür mindestens ein Gesundheitszeugnis nicht älter als 3 Monate, eine Sicherheitsunterweisung für die im laufenden Betrieb auftretenden Gefahren und mindestens drei Unterschriften notwendig. Irgendwo in der Mitte liegt wahrscheinlich die Wahrheit … Nach den nächsten 4,2 Kilometern liegt die zweite Möglichkeit der Weinprobe … hätte ich nicht mehrmals den Namen der zweiten Bodega gelesen, wären wir wohl wie der Rest unser an diesem Tag etwas versprengtenGruppe, daran vorbei gelaufen. So gönnen sich Catia, Simone, Eike und ich uns nach dem zweiten Frühstück nun auch die zweite Weinprobe. In dem sehr schönen Innenhof sind wir die einzigen Pilger. Simone und Eike verbleiben nach der Verköstigung in dem Dorf. Catia und ich treffen die anderen anschließend 300 Meter weiter bei der Beendigung ihres Mittagessens. So komplettiert laufen wir bis Villafranca.
Andreas hat wieder massive Probleme mit seinem Schienbein. Er glaubt, dass seine Bänder die Ursache sind, aber irgendwie hört sich das Ganze für mich eher nach einer Knochenhautentzündung an. Sei‘s drum, es tut weh, soviel steht fest! Alex und Andreas entscheiden sich für die öffentliche Herberge, Nikki ist verschwunden. Sie hatte sich, so erfahren wir später, in der Traditionsherberge „Ave Felix“ einquartiert, in der Reikimassagen angeboten werden. Sandy will in ein ihm bekanntes Hotel. Catia und ich entscheiden uns für eine private Herberge, die in/an einen Fels gebaut wurde. Ich bin platt, habe heute zu spät reagiert und zuviel Sonne abbekommen. Ich bin froh, nicht in einem Saal mit 62 Betten liegen zu müssen, sondern wie die Ankündigung des Pilgerführers richtig behauptete, in einer von einem jungen Paar geleiteten – sehr netten – Herberge mit lediglich 16 Betten, schlafen zu können. Es ist frisch renoviert und wir bekommen für zwei Euro auch noch Frühstück. Zudem treffen wir Aloise und Tom, das australische Pärchen. Catia und ich haben uns für den Abend mit Sandy zum Essen verabredet. Ich halte nach dem Duschen bis zum Essen erst einmal Siesta. Als wir abends auf dem Plaza unser Abendessen zu uns nehmen, taucht auch Nikki wieder auf und berichtet uns über ihren Verbleib.
Zu meinem Leidwesen gesellen sich noch ein Österreicher und ein deutscher Psychologe zu uns. Sie suchen Anschluss. Ich kann dem Gespräch mit ihnen nichts abgewinnen. Für mich Interessantes haben sie nicht zu berichten. Als der Kamerad aus Österreich für Sandy auch noch Deutschland in Weiswurstäquator, Fischköppe und weiß-der-liebe-Himmel sonst noch was einteilt,wird es mir zu bunt. Ich bringe Sandy den Begriff „Schluchtenscheißer“ näher. Aus Ermangelung des englischen Wortes „Schlucht“, entscheide ich mich für die Umschreibung Valley – „Valleydumper“. Ein neues Wort war geboren. Das gibt‘s wirklich nicht. Da kommen die zwei Vögel an unseren Tisch, fragen zwar, ob sie sich dazusetzen dürfen, haben aber eigentlich schon vor unserer Antwort die Stühle zurecht geschoben. Sie bringen ein bis dato gut funktionierendes Gespräch nahezu zum Erliegen, steuern außer Smalltalk nichts Brauchbares bei und erdreisten sich dann auch noch, mit halbgaren Sprüchen aufzutrumpfen. Peter und Hannes sind im weiteren Verlauf des Weges mein persönliches „rotes Tuch“. Jedes Mal, wenn sie auftauchen, versuche ich schnellst möglich das Weite oder zumindest Distanz zu suchen. Sie scheinen es mir anzumerken und lassen mich außen vor, wenn sie auf unsere Gruppe treffen. Der Rest unserer „Familie“ nimmt es gelassener. Sie berichten sogar über das ein oder andere unterhaltsame Gespräch. Es ist mir egal, die beiden stellen für mich keine
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