Keiner wie er (German Edition)
Daniel. Ich muss weg.“
Lange betrachtete er ihre entschiedene Miene und nickte dann knapp. „Ich fahre dich.“
* * *
Während der Fahrt wurde kein Wort gewechselt.
Daniel zerbrach sich mal wieder den Kopf, wie er sie aufhalten sollte. Tina schwieg und bedachte ihn nur hin und wieder mit einem ziemlich drohenden Blick.
Eine eindeutige Botschaft: Noch einmal würde sie sich nicht fünf Tage lang von ihm gefangen halten lassen. Was in ihrem Kopf vor sich ging, wusste er nicht, doch sie war tatsächlich gerade operiert worden. Auch wenn nur ein kleiner, eher unbedeutender, blieb es dennoch ein Eingriff . Was mindestens einen Tag Ruhe verlangte. Ihrem Schicksal überlassen, konnte er sie nicht – und das wollte er auch nicht. Selbst fühlte er sich so ... müde, sehnte sich plötzlich derart nach Ruhe, Frieden und Tina. In jeder Hinsicht.
Seine Gedanken schweiften zu seinem Vater. Tina hatte sich mit kühlem Lächeln verabschiedet, welches ihn sichtlich verwirrte. Den fragenden Blick schenkte er natürlich Daniel. Ja, schon seltsam, diese Tina, oder?
Nun, die schien der Ansicht zu sein, dass Daniels Schwierigkeiten nicht unbedingt ihr Problem darstellten. Am Haus angekommen, verschwand sie in ihrem Zimmer und kehrte keine Viertelstunde später zurück. Gala bereit.
„Tina ...“
Eilig hob sie eine abwehrende Hand. „Nein! Ich will nichts hören, nur gehen. Meinst du, ein Taxi wird dieses Gehöft finden?“
„Das weiß ich nicht. Aber ich kann dich ...“
„Nein!“ Sie hielt bereits ihr Handy am Ohr.
Das örtliche Taxiunternehmen schien die Ecke zu kennen. Denn kurz darauf beendete sie relativ gefasst das Gespräch. Noch weigerte Daniel sich entschieden, aufzugeben. Er nahm sie an den Schultern und blickte in ihre inzwischen wieder perfekt geschminkten Augen. „Tina, es war unser ...“
„Halt den Mund!“, zischte sie. „Es war gar nichts! Es wäre nicht einmal da gewesen, wenn du dich nicht eingemischt hättest. Merkst du das nicht? Du zerstörst mein Leben! Hör endlich damit auf und lass mich in Ruhe. Ich will nicht mehr! Kapiert? Bleib weg, bevor du auch den Rest ruinierst.“ Das Zischen war verschwunden, ihre Stirn plötzlich gerunzelt. „Warum tust du das?“, wisperte sie. Zum ersten Mal wirkte sie tatsächlich emotional und tief getroffen. Endlich ging seine Hoffnung in Erfüllung. Tina – die echte – sprach mit ihm.
Der kalte Blick gehörte der Vergangenheit an, das aufgesetzte Gehabe folgte. Trotz des Make-ups und der Galaklamotten. Was sein Kidnapping nicht zustande brachte, die vergangenen Stunden konnten es.
Ende des Theaters.
Bis hierher gut.
Aus ihrem Blick sprach kein Hass, nicht einmal Ablehnung. Nur Endgültigkeit und jene Verzweiflung, die er in Auszügen bereits am Abend zuvor bewundern durfte. Dass es sich nur um eine Ahnung davon handelte, wusste er erst jetzt, als er schonungslos mit der Gesamtlage konfrontiert wurde. Tatsächlich benötigte Daniel einen langen Moment, um damit umgehen zu können.
„Ich konnte nicht wissen, dass so etwas geschieht“, sagte er irgendwann leise.
„Ich weiß“, nickte sie. „Du wolltest dich absichern, ich ging das Risiko ein. Die Verantwortung liegt allein bei mir. Darum geht es aber nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht, Daniel. Das ist zu viel.“
„Tina, wir könnten gemeinsam ...“
„Nein! Für uns gibt es kein ‚gemeinsam’, das gab es nie. Ich bin dir nicht gewachsen, du machst mich kaputt.“
Das Taxi erschien in der Auffahrt und Daniel versuchte es ein letztes Mal. Diesmal riskierte er alles. „Tina, bitte. Ich liebe und ich brauche dich. Bitte bleib. Ich ... will ohne dich nicht leben.“
Ihr Lächeln fiel matt aus. „Das glaubst du jetzt, aber du irrst. Wenn ich fort bin, ist es gut. Du hast mich nie gebraucht und das wirst du auch nie. Die Dinge zwischen uns gestalteten sich immer nur einseitig. Bitte, folge mir nicht. Lass mich in Ruhe leben, ja?“
Das war schon verheerend genug. Doch als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn flüchtig küsste, wusste Daniel, dass er verloren hatte.
In verdammt kurzer Zeit räumte der Fahrer ihr Gepäck in den Kofferraum und wenig später verschwand sie.
Einfach so. Ohne einen letzten Blick zurück.
Langsam und mit gesenktem Kopf ging er in das Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen.
Eine aufwühlende Achterbahnfahrt lag hinter ihm.
Keine Tina – Tina – sein Kind und Tina – Nichts.
Nicht nur für sie zu viel, für ihn auch,
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