Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
zusammengeschusterten Anhänger gekoppelt, der irgendwann mal für Pferdetransporte bestimmt war, und Pees Hab und Gut aus dem Reservat hierher transportiert. In einer Stunde sind wir schon fertig und Pee strahlt mit ihren schönen Lachfalten um den Mund und den zusammengekniffenen schiefen Augen. Sie hatte sich vor zwei Stunden für das hundert Dollar billige Haus im Monat entschieden, und nun kann sie ihren Holzofen in der Küche einheizen.
Das warten wir aber nicht mehr ab, denn es ist uns jetzt warm genug, außerdem wird es Zeit, wieder aus dem Westernstädtchen hinaus in die Berge zu fahren, um Jimmy abzuholen. Obschon es elf Uhr ist, holen wir ihn aus dem Bett. Schnell, jedoch nicht hastig, schlüpft er in seine schwarze engbeinige neue Levi’s 501, zieht die schwarzen Langschäfter, ein T-shirt und die Lederweste an und rundet sein outfit mit einer Baseballmütze ab. Alles in Schwarz angepasst an seine, in den Hals kringelnden, glänzenden Locken. Aber alles wird erst richtig perfekt, als er in seinem kirschroten ‘Cherry’ Chevy die dunkle Sonnenbrille aufsetzt. Wir fahren mit seinem bequemen kleinen Schlitten, um die monatliche Lebensmittelration von der Wohlfahrt im Reservat abzuholen. Sherlyn fährt nicht mit, sie hat was Besseres zu tun: Sie arbeitet. Außerdem, es ist Männerarbeit, die Hilfe abzufassen.
„Es steht jedem Indianer zu, wenn du unter siebenhundertundzwanzig Dollar verdienst“ lächelt Jimmy spitzbübisch.
„Was, ihr verdient zu zweit nicht mal so viel?“ Ich bin echt übe rrascht.
„Schau, Sher’ bekommt sechs’sechzig und ich auf dem Papier Zero Dollar. Ist’s klar?“
„Okay Jimmy, klar.“ Hmm...?
„Ich könnte auch Unterstützung bekommen, wenn ich mit jemandem zusammen leben würde, obwohl ich nur Halbblutindianer bin“ beteuert mir Rich. Jeder Indianer bekommt sie, sogar wenn er nicht im Reservat lebt. Aber sie geben’s dir nur einmal im Monat und du musst ins Reservat fahren, um sie abzuholen. Deswegen fahren wir jetzt hin.“
Während wir zwischen spitzen und zackigen Felsen kurven, male ich mir ein wildromantisches Bild über das Reservat. Aber nach Hot Springs ändert sich die Landschaft. Sandige Hügel wechseln sich mit lichten Wäldern ab, dann werden die Bäume immer seltener und das Asphaltband kann ungehindert über die gewellte Prärie reiten. Nur selten tauchen kleinere Felsen auf und der Stacheldrahtzaun, welchen wir unbemerkt passieren, markiert, dass wir auf Privateigentum sind. Aber, Moment mal!, das zerlöcherte Schild, an der rechten Seite, erzählt was vom Indianerland. Das bedeutet, dieses Eigentum ist
schon das Reservat.
Keine Schranke, keine Grenzposten. Am Straßenrand liegen einzelne Häuser verstreut. Hier und da werfen in Levi’s Anzug gesteckte alte Indianer ihre cowboygestiefelten Beine auf den öden Asphalt, während sich ihre, in Zöpfe geflochtenen, langen Haare stolz unter den Cowboyhüten auf die Brust oder den Rücken herunterschlängeln. Links, ein wenig abseits der Straße, begleitet uns eine Holzhäusersiedlung mit Silo- und Wassertürmen, bis wir sie in einer Rechtskurve plötzlich verlieren. In einem gut gepflegten, baumbegrünten Tal lassen eine Kirche, eine Schule und sauber glänzende Häuser uns wissen: hier ist eine Mission. Auf dem Schulsportplatz rennen Indianerkinder hinter dem ovalen Ball her. American Football, wie im elitären Connecticut. Die Mormonenmission hat sogar ein Indianermuseum. Gegenüber dem Tal, auf der anderen Straßenseite, erhebt sich ein Hügel. Ein Indianerfriedhof voll von Holzkreuzen und einem Schild, das uns über eine Schlacht und deren Indianeropfer vor über hundert Jahren erzählt. Indianer wurden von Christen zuhauf getötet, um christlich beerdigt zu werden. In dem Indianermuseum arbeiten auch Weiße, und voll getankt mit ihren Informationen rollen wir weiter.
Pine Ridge ist das Zentrum des Reservats, mit dem Steingebäude der Polizei und dem Sitz des Indian errates. Auf dem Hauptplatz des Dorfes macht sich ein modernes, vollklimatisiertes Shopping Center breit. Ihm gegenüber in dem kargen Park hängen besoffene Indianer herum. In dem riesigen Aluminiumschuppen, wo man die Lebensmittel austeilt, machen sie gerade eine Pause, so haben wir genügend Zeit, um uns zwischen den vernachlässigten Häusern umzuschauen. Ich würde gerne einige Tage hier bleiben und die Jungs versuchen für mich eine Unterkunft aufzutreiben, aber vergebens. Jimmy und Rich sind aus einem anderen Reservat,
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