Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
noch zwei Tage lang Pamper, bis er mir mit viel Mühe beibringen konnte, dass er Twinty heißt und Windel wäre bloß ein Scherz gewesen.
Also, am ersten Abend ist der Großteil des engeren Familienkreises zusammen, was gemeinsames Videovergnügen bedeutet. Gleich rein mit dem ersten Film, dann den zweiten, dritten. Mehr ist nicht drin heute. Wir ziehen uns die Geschichten über die starken gutmütigen Cowboys, von den bösen Indianern und Gangstern, Pferden, paff Ohrfeigen und von den verzaubernden Kulissen rein. Und es leuchtet mir auch ein: man kann die größten Ohrfeigen vor den wunderschönsten Felsen bekommen. Aber alles Gute endet irgendwann und die Familie löst sich allmählich auf und verschwindet in verschiedenen Schlafzimmern. Bis ich mit der jüngeren erwachsenen Tochter alleine bleibe. Und sie gibt mir einen harten Brocken zu knacken: Ich soll ihr so gleich aus dem Bauch den Marxismus erläutern. Das interessiere sie und ich komme aus dem Kommunismus, also... (Na bitte! Aus dem Ärmel!..) Aber sie will eigentlich nur bestätigt haben, dass sie eine richtige Revolutionärin sei. Wir diskutieren weit in die Nacht. Sie ist voller Flamme und Ideen und Aktivität: „Schau, ich hatte Alkohol gesoffen wie alle anderen im Reservat, aber! Ich begriff, dass das nicht mein Leben ist. Ich will etwas tun, was allen nutzt. Ich hatte mit dem Alkohol aufgehört und begann zu lernen. Ich lese Marx, aber versteh nicht alles. Aber ich arbeite hart daran, dass die Indianer emporsteigen. Wir werden die Revolution machen...“, sie ist voller überzeugtem Pathos, „nur das kann uns helfen, eine gerechte Welt zu schaffen. Das ist das Wichtigste für mich. Ich gehe für unsere Sache in den Knast. Ich werde kämpfen.“ Sie schwärmt davon, wie viel das bewegt, wenn jemand im Knast sitzt.
„Klar“ sage ich beruhigend, „das beste ist, wenn alle die etwas tun wollen, gleich zum Märtyrer werden. Und die Revolution kommt schon irgendwie von alleine.“
„Wie meinste das?“ fragt sie ohne aus ihren eigenen Gedanken herauszukommen. „Jede Revol ution braucht Helden.“
Bla...bla...bla..., sie ließ meine Argumente und Fragen gar nicht an sich heran, als wäre sie ein gut polierter, vielseitiger klarer Kristall, der das Licht immer, gleich aus welcher Richtung es kommen mag, zurückstrahlt. So versuchte sie mich, bis fast ins Morgengrauen, von ihren weltverändernden Vorstellungen zu überzeugen.
Aber offensichtlich nur mich, denn sie selber war schon von solcher Art überzeugt, dass sie die Flamme der aufsprießenden Revolution gleich am Morgen mit Bier und Rum zu lindern versuchte. Anstelle, wie vorgehabt, zum College zu gehen, um für die ‘Sache’ zu lernen. Tja, es ist schon eine komische Eigenschaft von mir, Reden von Leuten ernster zu nehmen, als sie es selber tun.
Es gibt hier aber zum Glück jemanden, der mich wiederum ernst nimmt; Joe! Er überlässt seinen Laden heute seinem Gehilfen Saeck, um mir die Prärie zu zeigen, wo er einige Ländereien, die er von dem Stamm abgekauft hatte, besitzt. Bessergesagt bewirtschaftet, denn sie bleiben Stammeseigentum. Er hat nur das Nutzungsrecht.
„Sie sind zwar mein Eigentum, aber sie gehören zum Reservat und dem Stamm. Ich kann wirtschaften mit meinen Ländereien, wie ich will und Steuer zahle ich als Weißer an den Staat.“
„Ich versteh’ das nicht. Wieso verkaufen die Indianer ihr Land an Fremde?“
„Indianer?! Ah, der ist faul. Der will nicht arbeiten. Die haben Land genug zu bearbeiten. Jeder kann ein Stück Land haben und darauf arbeiten. Aber der Indianer sagt: Er buddelt nicht in der Erde. Die sind nicht dazu geboren!“ sagt er mit ironisch imitierender Stimme und mit übertrieben gespielter stolzer Miene. „Vor zwei Jahren haben die Stammeshäuptlinge bei der Regierung acht Millionen Dollar erkämpft, für ein Bewässerungssystem... Bitte schön! Es ist längst fertig... und keiner will es betreiben. Ich sag’s dir, die sind faul. Sie finden es lustig, raus zu fahren und mit der Waffe auf die Rohre zu schießen. Sie haben die ganze Anlage so zerlöchert, dass alles nur noch ein Haufen Schrott ist.“
Wir kommen an einem Hügel an, von dem wir die ganze Gegend überblicken können, und beginnen auf Präriehunde zu schießen. Die kleinen, hamsterartigen Viecher unterhöhlen die Felder und fressen das Korn ab.
Joe ist ein guter Jäger. Kaum taucht irgendwo ein Präriehund auf, zielt und schießt er sofort. Plötzlich ergreift mich auch der
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