Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
aber sie haben Freunde hier, die jedoch nicht zu Hause sind.
Das Dorf wird von zwei Asphaltstraßen durchkreuzt. Die anderen Straßen sind meist unbefestigt und fast in jeder holpern und torkeln angetrunkene, besoffene oder gar sternhagelvolle Indianer, manchmal Indianerinnen herum. Als wir zu der Alubaracke zurück fahren, stehen schon jede Menge Leute vor uns, und andauernd parken neue Autos neben und hinter uns ein. Das bedeutet fast zwei Stunden Warterei.
Um diese ein bisschen erträglicher zu machen, wechseln wir uns, den Indianersommer genießend, draußen auf der Motorhaube sitzend und drinnen schlangestehend ab. Langhaarige Indianer in Levi’s-Klamotten schleppen draußen die Lebensmittelhilfe in überhäuften Einkaufswagen zu ihren eigenen Wagen. Drinnen bemühen sich um die fünfzehn Leute, die Sachen aus großen Pappkartons auf die zusammengeschobenen Tische zu rangieren. Jeder bekommt seinen Anteil, je nach Berechtigungsschein. Die ‘Kunden’ brauchen nur ihre Wagen zu schieben und den vorsortierten Wohlfahrtsfraß hineinzusammeln. Aber es gibt nicht nur Sammler hier: Ein vollgelaufener Mann fängt an, seinen stolzen Jägerinstinkt wachzurütteln, indem er mich belegt, dass er der „richtige“ Amerikaner wäre, die anderen seien Eindringlinge, Diebe. Er aber sei roter Amerikaner, der richtige. Ich zeige ihm meine sonnengebräunten Arme und tippe an mein Gesicht: „Schau hier! Ich bin genauso Rothaut wie du, aber ich bin kein Amerikaner und habe dein Land nicht weggenomm’.“ Er wechselt sofort in Lächeln: „Das is was anderes...“ sagt er verlegen. Rich beobachtet uns vom anderen Ende der Reihe mit Sorge, aber er kann erleichtert aufatmen. Der Mann legt melancholisch in Alkoholdunst gehüllt seinen Kummer an meine Seele. Der Europäer hätte sein Land geraubt und ihm seinen Lebensgrund genommen. „Das stimmt“, sage ich ihm, „aber ich bin kein Yankee. „
Ein eleganter Herr in schwarzer Levi’s -Hose mit silberschnalligem, buntem Gürtel und gemusterten Cowboystiefeln, dessen schwarzes Haar auf sein schneeweißes, perlenknopfgeschmücktes Hemd bis zu den Brusttaschen herunterrinnt, blickt fragend zu mir, ob dieser Typ mich bedränge, und ob er helfen solle. Ich zwinkere ihm zu und schüttle dankend den Kopf; ah, danke, wir verstehen uns schon. Was aber heißt, dass ich der Klage des angetüterten Mannes zuhöre. „Der Weiße Mann hat uns belogen, betrogen... Sie haben alles weggenomm’, von den richtigen Amerikanern! Aber ich bin stolz... Der Weiße Mann hat zu zahlen...“ „Klar“ nicke ich zustimmend.
Und in dem Moment kommt Jimmy rein. Jetzt bin ich dran, draußen auf das Auto aufzupassen.
Kaum lehne ich mich mit dem Gesicht in der Sonne an das Auto, kommt ein Kerl zu mir, zieht eine Plastetüte Marihuana aus seiner breiten Hosentasche und reicht sie mir: „Möchtest du’s ham?“
„Nein danke, ich habe kein Geld dafür. Ich bin kein Reicher“ sage ich und öffne entschuldigend meine Hände.
„Hier, ich schenk’s dir. Brauchst nicht bezahlen. Ich fand’s gerade auf der Straße.“ Ich lehne trotzdem ab. „Was soll ich damit. Ich bin Nichtraucher.“ Ich bin erstaunt über seine freundliche Geste.
„Was machste denn hier, Mann? Brauchste etwas?“
„Oh ja, ich brauche eine Unterkunft. Aber für drei Nächte, mindestens. Ich möchte einige Tage hier verbringen.“
Er ruft zu einem dünnen Freund: „Der Typ hier sucht eine Unterkunft.“ Ich rufe schnell dazwischen: „aber nicht was zum bezahlen!“
„O.K. Typ, du kannst bei mir schlafen. Diese guten Menschen schlafen auch bei mir“ sagt der Dünne. Er zeigt auf den Marihuanamann und auf zwei andere, die gerade einen Pickup beladen. Alle vier haben schon einige Umdrehungen im Blut.
Gerade kommen Rich und Jimmy an und der Dünne erklärt ihnen genau, wie wir sein Haus finden können, wenn sie mich nachher hinfahren. Sie verstehen das erstaunlich schnell. „Ja-ja klar, von der Hauptstraße rechts, rechts, links, dann geradeaus das letzte Haus. Wir finden das schon.“ Die vier Typen rufen: „O.K. dann komm!“ und machen sich aus dem Staub, welcher noch eine Weile hinter ihrem Pickup weht.
Rich gefällt die Sache gar nicht. „ Marihuana umsonst! Gut, dass du’s nicht genommen hast. Die waren alle vier besoffen. Das ist keine gute Sache. Die wollen dich ausnehmen. Geh nicht dort hin.“
Ich bin natürlich bockig und unbeugsam. „Ich kann doch auf mich aufpassen. Ich hab’ nichts, was sie mir wegnehmen
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