Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

sich zu Hause. Ich soll gleich mitkommen in das kleine Haus dort drüben am Bach. „Nein, ich komme lieber nachher, vielleicht.“
    „O.K., Kumpel , ich und meine Freunde warten auf dich.“
    Na, das fehlt mir gerade noch, dass ein Haufen Besoffener auf meine Cents wartet...
    Ich erleichtere gerade meine Blase hinter der kleinen Kirche, da kommt ein Hund um die Ecke und gleich darauf sein Besitzer, ein junger Bursche. Er sieht, dass ich beschäftigt bin, aber lässt sich nicht stören. „Was machste hier Typ?“
    „Pissen, aber ich bin schon fertig.“
    „Ich meine... außerdem?“
    „Ach so? Ich will den Platz des großen Aufstandes sehen.
    „Dann musst du dies hier erst sehn!“ Er führt mich zu einem Grab im Friedhof. „Das hier ist meines Bruders Grab.“ Die Inschrift sagt: Black Elk, lebte 36 Jahre, starb kurz nach dem Aufstand. An den Folgen, denke ich, aber der kleine Bruder sagt, er hatte einfach Krebs. Er war der gemäßigtere, intellektuelle Führer des Aufstandes. Der Junge zeigt mir auch die Grundmauer der damals niedergebrannten Kirche. „Die hamse damals abgefackelt und das Museum da unten.“
    In dem Tal türmt sich ein hausgroßer Haufen aus verkneulten rostigen Eisenbalken und Blech. Wenn ich ein bisschen warte, er bringe mir auch ein Foto. Ich warte. Er verschwindet in dem am nahesten stehenden kleinen Haus und kommt schon wieder den Hügel aufwärts. Eine Fotokopie hat er in der Hand und möchte dafür fünf Dollar. Sie zeigt die Kirche noch bevor sie abgebrannt wurde, aber das interessiert mich nicht, viel eher der Text dazu, von Black Elk. Ich lese den Text zwei Mal, zum dritten Mal und... und ich brauche keinen mehr zu fragen, was und warum. Ein Text von Black Elk macht mir Wounded Knee gleich viel verständlicher. Echt, es ist einfach zu verstehen. Er sagt ungefähr: „Es kam der Weiße Mann und sagte zu meinem Großvater; baptistisch ist die wahre Religion und erzählte viele schöne Sachen über den HERRn. Mein Großvater hatte ihm zugehört, glaubte ihm die schönen Dinge und wurde Baptist. Da kam ein anderer Weißer, der erzählte über die Katholiken wunderschöne Geschichten. Mein Großvater glaubte auch ihm. Dann kam ein Dritter, ein Vierter undsoweiter... Mein Großvater glaubte an sehr viele schöne und wahre Sachen. Am Sonntag ging er in die baptistische Kirche, dann zu den Katholiken. Der katholische Priester sagte aber zu ihm, er wäre ein schlechter Gläubiger, weil er auch zu den Baptisten geht und verstieß ihn. Der Baptist sagte wiederum, er wäre ein schlechter Gläubiger, weil er zu dem Katholiken geht... Mein Großvater verstand es nicht, was ist Böses dabei, wenn er jedem, der den HERRn lobt und wahre Worte redet, zuhört. Er glaubte jedem seine Wahrheiten, obendrein behielt er auch noch seinen eigenen Geist... Aber das konnten die Weißen schon gar nicht annehmen...“
    Jetzt verstehe ich, warum sie die Kirche abgebrannt und das Museum gesprengt hatten. Der Weiße Mann kommt und bombardiert die Indianer mit Zweihundertundacht Religionen, gleichzeitig jedoch verbietet er die Ausübung eigener Riten.
    „Ja Mann ”, nickt der Junge - und sein Hund wedelt mit dem Schwanz. Als ich ein kleines Kind war, stand an‘n Lokals ausserhalb‘s Reservatums: ‘Für Indianer Verboten’. Ja, so war ‘s Mann...“
    Ich bedanke mich und gebe ihm sein Blatt zurück. Ich kann ihn doch nicht so tief sinken lassen, dass er für fünf Dollar seine eigene Historie verkauft.
    Da gehe ich lieber hinunter ins Museum, das ist kostenlos. Eine Menge verwelkte, verbogene dicke Eisenprofile, an denen man noch die Gebäudestruktur nachvollziehen kann. Meine Güte, es musste damals eine gewaltige Detonation gegeben haben. Die Ruine erweckt den Eindruck, einer im Krieg ausgebombten Fabrik. Vor den Überresten des Museums steht ein bis zum rostigen Blech ausgebranntes Auto voller Müll und Lumpen. Mich bewegt dieser niederschmetternde Anblick zum Nachdenken. Meine Gedanken huschen Gleichnisse suchend in meinem Wissen überall herum. Aber ich fühle mich sehr arm, denn ich kann kein Beispiel finden, wo Gewaltanwendung zum haltbaren Frieden geführt hätte. Eine Legende stürzt in mir zusammen, und das zwingt mich zu begreifen, die Legenden existieren auch nur in meinem Panoptikum... Schön reingefallen Junge! Reingefallen ist auch der FBI Agent, der damals hier abgeknallt wurde und Peltier, der immer noch im Knast sitzt. Und ein Haufen Leute, die ich aber beneide, weil sie nicht mehr an ihrer