Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
die wenigen Meilen ohne auseinanderfallen durchhält. Dafür beglücke ich sie mit meinem Flötenspiel und sie genießen es...
In Pine Ridge laufe ich durch das Dorf und versuche mich ein bisschen heimisch zu fühlen. Jetzt bin ich alleine. Nicht als der Vetter von irgendjemandem, nein; alleine mit mir. Der Hauptplatz, die Post, die Aluminium Baracke und die verschiedenen Missionen, sind alle schon bekannt. Aber jetzt erst dringen sie bis zu mir durch. Ich kann hier, zwischen ihnen sein, ohne Vermittler. Ich bin selber der Vermittler. Ich laufe rauf und runter, bis ich endlich den Anschluss finde.
Das Kulturzentrum in der geordneten Hauptstraße ist voller Menschen. Lebensmittelkarten werden verteilt. Auf den Treppen des Polizeigebäudes sitzen junge Burschen und lassen die neuesten Discohits durch ihren Ghettoblaster dröhnen. Ich mache einige witzige Tanzschritte und winke ihnen zu. Da fangen sie an , sich vor Lachen fast einzupinkeln, zeigen mit den Daumen 1! und sagen: „Du bist schwer in Ordnung Typ.“
An der Ecke sitzt ein älterer Mann mit einer blauen Baseballmütze und grüßt, obwohl er nicht mehr ganz ‘trocken’ ist, freundlich z urück.
Der Hauptplatz riecht nach Alkohol , als ich mich hinsetze, um eine Büchse Erdnüsse zu öffnen. Ein Kerl kommt auf mich zu und murmelt irgendetwas. Sein Gesicht ist mit so vielen Narben verschiedenen Formats vollgesät, als hätte ein ganzer Jahrgang von Medizinstudenten die Künste der Chirurgie an ihm geübt. Ich kann ihn nicht verstehen und halte ihm meine Nüsse entgegen: „Nimm soviel, du willst!“ Darauf hin dreht er sich um und geht zurück zu den Anderen. Nun, keiner schert sich mehr um mich. Ich werde aus ihnen nicht schlau. Bin ich jetzt O.K. für sie, oder scheißen sie auf mich? Ach...Wurscht! Hauptsache ist, dass es keine Reibereien gibt.
Als ich wieder auf der Straße stehe, zeigen die Autofahrer genauso wenig Interesse. Es dauert schon eine lange Zeit, bis ein alter Mann anhält. Er spricht einen solchen Dialekt, dass ich von den fünf Minuten, die wir zusammen sind, drei Minuten seine Fragen mit irgendetwas beantworte. In den letzten zwei Minuten muss er sich aber wiederholen, damit ich in den darauf folgenden zehn Minuten, als er schon längst an einer Gabelung in eine andere Richtung verschwindet, die Hälfte seiner Fragen zusammenpuzzeln kann.
Ich habe Zeit, der nächste Lift lässt lange auf sich warten. Mein Feingefühl sagt mir, dass die Leute hier zugegen nicht gerne anhalten. Meine romantischen Gefühle sind angesichts der vielen Coca Cola- und Bierbüchsen am Straßenrand sowieso schon ordentlich angeschlagen.
Der junge Halbblutindianer und sein alter Mitfahrer, die sich meiner endlich erbarmen, verstehen das und machen mir zuliebe einen Umweg, damit ich schneller nach Wounded Knee komme. Der alte Mann arbeitet im Indianer Rat und ist Geschichtswissenschaftler, daher hat er natürlich seine eigene Meinung und Version über den bewaffneten Aufstand von Dreiundsiebzig: „Russel Meals war ein sehr gewaltbereiter Mann. Er war der blutrünstigste Anführer des Aufstandes. Die anderen waren mit friedlicheren Absichten zusammengekommen. Da Russel ein Medizinmann ist, hatten viele Leute an ihn geglaubt. Aber das hat dem ‘Indian Movement’ nicht viel Gutes gebracht. Die ganze Aktion war nichts mehr, als Verherrlichung von Gewalt. Äch, seit dem ist Russel Meals viel abgeklärter. Aber er zieht öfter noch eine Show ab. Manche sagen sogar, dass er mit dem Staat zusammen arbeitet...“
Während der Alte seinen Vortrag hält, fragt der Junge, wie ich seine nagelneue kurze Frisur mit dem bisschen Toupet vorn fände. Er käme gerade vom Frisör. Ich lobe den Schnitt und bedanke mich für die Fahrt; wir sind schon angekommen.
Und ich will meinen Augen nicht trauen. Das wäre
Wounded Knee?
Keine Brise Pathos, kein Mythos. Ein Friedhof auf einem kahlen Hügel, mit einer kleinen hölzernen Kapelle. Am Fuße des Hügels ist eine geschlossene winzige Tankstelle und es gibt einige, locker in der Gegend verstreute Holzhäuser, ein bisschen weiter sogar eine Siedlung.
Unterwegs auf der Hügelspitze begegne ich plötzlich eine m angetrunkenen Kerl, der mich gleich mit „Gib mir fünf Dollar!“ empfängt. Ich kann ihm aber nur Kleingeld in meiner Hosentasche klingeln lassen, mit dem Vorbehalt; ich muss davon noch Kekse für mein Mittagsmahl kaufen. ‘S gut, ich soll ihm die Kohle rübereichen, er hätte genau den Keks, den ich bräuchte, bei
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