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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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des Orakels und feuerte.
    Der Abschussknall setzte
sein Gehör erneut außer Gefecht. Dennoch konnte er seinen eigenen Aufschrei
hören. „Verdammt nochmal, musste das jetzt sein?"
    „ ' Tschuldigung ",
brüllte der Chef zurück.
    Als die Ohren der Gruppe
wieder einigermaßen funktionierten, atmete die Kleine auf. „Mann, das ist echt
krass: Erst geht der Alte Arsch drauf, dann auch noch das Orakel. Also, wenn
das mal nicht genial ist."
    „ Tja", meinte der Chef
mit einem Schulterzucken. „Wenn's einmal läuft, dann läuft's. Also los, wir
müssen weiter. Dieser bescheuerte Entsorger wird ordentlich Gas geben, wenn er
wieder zu sich kommt."
    Der Chef schob die Kleine an
und bedeutete ihr damit, wieder die Führung zu übernehmen. Dann marschierte der
Liliputaner selbst los. Nur das Panzerchen blieb zurück und schaute sich die
Leiche des Orakels an.
    „ Massiv gestörtes
Sozialverhalten", murmelte der Riese.
    Er wusste nicht, wen das
Panzerchen damit meinte - das Orakel oder den Chef.
    Er wusste auch nicht genau,
wie er selbst diese Sache einordnen sollte. Einerseits musste er dem Chef zustimmen:
Ein Streit untereinander war das Letzte, was sie vor der Durchquerung dieser
Kriegszone brauchten. Außerdem hatte das Orakel offenbar grundsätzlich keinen
guten Ruf in der Siedlung genossen. Auch er hatte diesen stinkenden Penner
nicht leiden können. Wer so abgerissen lebte, der machte sich sicherlich einen
Spaß daraus, anderen Menschen Kopfschmerzen zu bereiten. Von diesem Standpunkt
aus gesehen hatte der Chef richtig gehandelt.
    Andererseits überlegte er,
weswegen das Orakel plötzlich aufgehört hatte zu lispeln. Doch das hing
vermutlich mit dem Zeug zusammen, das durch den Einstich in seine Blutbahn
gelangt war. Die letzten Worte des Orakels kreisten ebenfalls in seinem Gehirn,
doch er unterdrückte jeden Gedanken daran.
    Bevor er sich überlegte, wer
oder was er sein wollte oder wer oder was er gewesen war, musste er sich darauf
konzentrieren, die Gruppe sicher durch die Kriegszone zu bringen. Und das
Wichtigste war: Er musste dringend verschwinden, bevor er erwischt wurde.

Feindkontakt
     
    Weiter. Und immer weiter.
    Ähnlich wie die
Maschinenzone kündigte sich auch die Kriegszone durch ein Grollen an. Anfangs
spürte er dieses Grollen mehr, als dass er es hörte. Zu diesem Zeitpunkt
ordnete der Chef eine weitere Rast an.
    Er protestierte zunächst
dagegen, denn einerseits machte ihm der Druck inzwischen massiv zu schaffen,
andererseits gefiel ihm die Art nicht, wie der Chef das Kommando an sich
gerissen hatte. Der Chef argumentierte seine Einwände jedoch aus.
    „ Das hier ist die letzte
Gelegenheit, eine Pause zu machen. Wir haben noch ein ganzes Stück zu laufen
und müssen ohnehin noch einmal schlafen. Wenn wir jetzt weiter gehen, dann wird
der Krach immer schlimmer. Irgendwann versteht man sein eigenes Wort nicht
mehr. Dann kommen wir überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Besser, wir suchen uns
jetzt einen Raum, in dem wir uns für ein Nickerchen verkriechen können. Dann
können wir die letzte Etappe in einem Aufwasch erledigen."
    Also rasteten sie. Die
Kleine lotste sie zu einem Raum, in dem neben dem üblichen Bauschutt sogar
einige Matratzen verteilt lagen. Diese Dinger wiesen zwar mehr Flecken auf als
ein Opfer häuslicher Gewalt Hämatome, doch sie rochen nicht stockig und fühlten sich passabel an. Er bevorzugte es dennoch, sich auf den Boden zu
setzen, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt - genau die Haltung, in der er
zum ersten Mal hier drin aufgewacht war.
    Als er sich entspannte,
dachte er an die Fähigkeit eines Soldaten, sofort einzuschlafen, wenn es die
Situation erlaubte. Die beiden Grundregeln für Soldaten: Schlafe, wann immer du
schlafen kannst und iss, wann immer du essen kannst. Er überlegte, wann und wo
er diese Weisheiten wohl gelernt hatte. Bevor er die Antwort fand, schlief er
ein.
    Irgendwann später rüttelte
ihn der Chef wach.
    „ Wir müssen weiter. Der
verdammte Entsorger hat aufgeholt. Die Zeit läuft uns weg."
    Der Chef hatte Recht. Der
Drang, schnellstens von hier zu verschwinden, war beinahe übermächtig geworden.
Hätte sich der Chef nur noch einige Augenblicke Zeit gelassen, dann wäre er von
selbst aufgewacht und wie ein kopfloses Huhn losgerannt. Also suchten sie ihre
Siebensachen zusammen und marschierten wieder los. Die Kleine hatte die Pause
offenbar voll ausgekostet, denn sie lief voller Elan voran und machte in
beinahe jedem Raum, den sie passierten, einen

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