Kennedys Hirn
Kaffee und Brot, sondern auch ein Omelett. Ein unwirklicher Friede lag über dem Restaurant. Abgesehen von ihr selbst, der Bedienung und einer Person, die in der Küche arbeitete, war die Welt leer.
Irgendwann muß Henrik hier gesessen und gefrühstückt haben. Vielleicht wie ich jetzt, ein Frühstück ganz allein, darauf wartend, daß der Albino auf seiner timbila zu spielen anfing.
Sie trank noch eine Tasse Kaffee. Die Kellnerin war verschwunden, als sie zahlen wollte. Sie legte das Geld unter die Untertasse und verließ das Restaurant. Warren war noch nicht gekommen. Sie kehrte zu ihrem Zimmer zurück und schloß die Tür auf.
Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, entdeckte sie, daß ein Mann auf einem der beiden Stühle vor dem Fenster saß. Christian Holloway stand auf.
Er lächelte und machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Ich weiß, daß man nicht ungebeten in fremder Menschen Zimmer eintreten darf. Wenn Sie wollen, gehe ich wieder und klopfe an, als der ehrbare Mensch, der ich bin.«
»Wie sind Sie hereingekommen? War die Tür nicht verschlossen?«
»Ich habe immer eine Neigung zu dem gehabt, was man als ausgefallene Kenntnisse bezeichnen könnte. Es war mir immer eine Herausforderung, Schlösser mit dem Dietrich zu öffnen. Diese Tür war wahrlich nicht die schwierigste, durch die ich auf diese Weise eingetreten bin. In Shanghai ist es mir einmal gelungen, eine dreifach verschlossene Pforte zu einem Tempel zu überwinden. Aber ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen. Zum Beispiel habe ich mir die uralte Kunst des Scherenschnitts angeeignet. Silhouetten zu schneiden ist schwierig, es erfordert viel Übung, bietet aber eine einzigartige Form von Entspannung.«
»Warum hatte Henrik ihre Silhouette?«
»Ich habe sie ihm gegeben. Er hatte chinesische Scherenschnittkünstler gesehen und wollte die Kunst selbst erlernen. Es liegt etwas äußerst Faszinierendes darin, Menschen auf Schatten und Profile zu reduzieren.«
»Warum sind Sie hergekommen?«
»Sie haben Interesse für meine Arbeit gezeigt. Dann sollte ich meinerseits Zeit für ein Gespräch erübrigen, um Ihnen etwas zurückzugeben.«
»Ich möchte mich in Ruhe anziehen.«
»Wann soll ich wiederkommen?«
»Ich möchte lieber, daß wir uns unten treffen.«
Er runzelte die Stirn. »Im Restaurant oder in der Bar ist zuviel Lärm. Ungestimmte Instrumente, klappernde Töpfe, Menschen, die über nichts reden.«
»Die Einstellung teile ich nicht. Aber in einer halben Stunde bin ich fertig.«
»Dann komme ich zurück.«
Er verschwand still aus dem Zimmer. Auf einem Gebiet hatte er offensichtlich von den Afrikanern gelernt, die er so tief verachtete. Er hatte gelernt, sich lautlos über den Fußboden zu bewegen.
Sie zog sich an und versuchte, sich auf seine Rückkehr vorzubereiten. Wie sollte sie ihn mit all ihren Fragen konfrontieren? Würde sie ihm glatt ins Gesicht sagen können, daß sie glaubte, er sei verantwortlich für den Tod ihres Sohnes? Ich sollte Angst haben, dachte sie. Ich sollte schreckliche Angst haben. Wenn ich recht habe, kann er mich ohne weiteres auf die gleiche Art und Weise töten, wie er Henrik und Umbi getötet hat. Auch wenn er allein dieses Zimmer betritt, sind seine Leibwächter um ihn. Sie sind unsichtbar, aber sie sind da.
Sein Klopfen an der Tür war so leise, daß sie es kaum hörte. Als sie die Tür öffnete, war der Flur leer. Nur Christian Hollo-way war da. Er lächelte und trat ein.
»Dieses Hotel soll einmal der Lieblingsaufenthaltsort von Touristen aus Südafrika gewesen sein. Unter dem portugiesischen Kolonialismus war Mozambique ein Paradies auf Erden. Hier gab es die Strände, die Fischgründe, die Wärme und nicht zuletzt die jungen Mädchen, die zu beschlafen so unsagbar wenig Geld kostete. Jetzt ist es nur noch eine sehr ferne, verblaßte Erinnerung.«
»Die Welt wird trotz allem manchmal etwas besser.«
»Das hängt davon ab, wen Sie fragen.«
»Ich frage. Ich möchte wissen, wer Sie sind, was Sie treibt.«
»Kommen Sie deshalb ständig wieder zurück?«
»Einmal ist mein Sohn Henrik hergekommen. Das wissen Sie. Er reiste zurück nach Schweden und starb. Das wissen Sie auch. «
»Ich habe Ihnen schon mein Beileid ausgesprochen. Ich glaube leider nicht, daß man Trauer mit jemandem teilen kann. Man ist mit der Trauer allein, auf die gleiche Weise, wie man allein ist, wenn man stirbt.«
»Warum mußte mein Sohn sterben?«
Er verlor nicht die Fassung. Sein Blick war
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