Kennedys Hirn
den erleuchteten Hoteleingang zu. Aus dem Dunkel, in dem Lucinda sich befand, war nichts zu hören.
Im Restaurant des Hotels saß eine Gesellschaft von Südafrikanern beim Essen. Louise entdeckte Warren in der Bar. Er winkte sie zu sich. Sie sah an seinen Augen, daß er angetrunken war.
»Ich habe versucht, Sie anzurufen. Aber Sie haben nicht abgenommen. Ich glaubte, Sie sind ins Meer hinausgegangen und verschwunden.«
»Mein Telefon war abgeschaltet.«
»Ich habe mir große Sorgen gemacht. Brauchen Sie mich heute abend noch?«
»Nein.«
»Aber morgen? Ich wette immer mit der Sonne, wer zuerst aufsteht, sie oder ich.«
»Kann ich Sie bezahlen für das, was Sie heute gefahren sind?«
»Nicht jetzt. Morgen oder an einem anderen Tag. Setzen Sie sich und erzählen Sie mir etwas von Ihrem Land, von Schnee und Kälte.«
»Ich bin zu müde. Morgen vielleicht.«
Sie ging auf ihr Zimmer. Sie war total erschöpft. Die Gedanken kreisten unaufhörlich in ihrem Kopf. Sie sollte ins Restaurant gehen und etwas essen, obwohl sie überhaupt nicht hungrig war. Außerdem mußte sie alles aufschreiben, was Luanda berichtet hatte. Es war der Anfang einer Zeugenaussage. Aber sie tat nichts, blieb einfach am Fenster stehen.
Auf dem Sandplatz vor dem Hotel standen drei Wagen, zwei Landcruiser und Warrens Lastwagen. Sie runzelte die Stirn. Wer war Warren eigentlich? Warum hatte sein Bruder, der Mann in der Rezeption, sie nicht erkannt? Hatte er sich nur verstellt? Warum war Warren nicht zu Hause bei seiner Familie ? Warum wollte er sich nicht bezahlen lassen ? Die Fragen rauschten durch ihren Kopf. Hatte Warren den Auftrag, sie zu beschatten?
Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, zog die Gardine vor, kontrollierte, daß die Tür verschlossen war, klemmte einen Stuhl zwischen den Türgriff und einen Schreibschrank und machte sich fertig, um ins Bett zu gehen. Sie hörte, wie die beiden südafrikanischen Wagen starteten und davonfuhren. Als sie sich gewaschen hatte, ging sie zum Fenster zurück und schaute vorsichtig durch die Gardine hinaus. Warrens Lastwagen stand noch da. Die timbila war verstummt.
Sie kroch ins Bett. Die Klimaanlage ratterte und gab vereinzelt kühlende Luftstöße von sich. In Gedanken filterte Louise Lucindas Worte und durchsuchte sie, um zu prüfen, ob ihr nichts Wichtiges entfallen war.
Als sie erwachte, war es bereits Morgen. Zuerst wußte sie nicht, wo sie sich befand. Sie stürzte aus dem Bett und zog die Gardine zurück. Warrens Lastwagen war verschwunden. Eine schwarze Frau mit bloßem Oberkörper wusch sich am Wasserhahn vor dem Hoteleingang. Louise sah auf die Uhr - sie hatte acht Stunden ununterbrochen geschlafen. Sie ließ den Blick zu der Stelle wandern, an der sie Lucinda getroffen hatte. Der Baum lag da. Ein paar Hühner kratzten und pickten im Gras. Als ihr wieder einfiel, was sie über Warren gedacht hatte, schämte sie sich.
Ich sehe Gespenster, dachte sie. Ich muß da suchen, wo es dunkel ist, nicht da, wo es hell ist.
Das Meer glitzerte. Der Gedanke wurde unwiderstehlich. Sie zog den Badeanzug an, wickelte sich in ein Badehandtuch und ging hinunter zum Strand. Er war fast menschenleer. Ein paar kleine Jungen spielten im Sand, eine Gruppe von Frauen watete mit gebeugtem Rücken am Strand entlang und sammelte etwas auf, Muscheln vielleicht. Louise watete so weit ins Wasser hinaus, daß sie schwimmen konnte. Die Strömung war nicht so stark, daß sie nicht dagegen anschwimmen konnte.
Neben ihr war Artur. Sie schwammen in dem dunklen See, und zwischen den Schwimmzügen erzählte er ihr, daß der See bodenlos war.
Sie streckte sich, die Bewegung im Wasser verschaffte ihr stets Erleichterung in bedrückenden Lagen. In den Zeiten, als Aron und sie es besonders schwer miteinander hatten, war sie oft schwimmen gegangen, im Meer oder in einem See oder einem Schwimmbad, wie es gerade kam. Sie legte sich auf den Rük-ken und sah zum blauen Himmel auf. Die Begegnung mit Lu-cinda war ein schwer zu greifender Traum.
Als sie schließlich aus dem Wasser kam und sich abtrocknete, fühlte sie sich ausgeruht wie schon sehr lange nicht mehr.
Sie kehrte ins Hotel zurück. Warrens Lastwagen stand nicht unter einem der schattenspendenden Bäume. Vom Zeltplatz nebenan zog der Duft frisch gegrillten Fischs herüber. Der Albino mit der timbila war noch nicht gekommen. Sie war allein im Speisesaal. Eine Bedienung, die sie bisher nicht gesehen hatte, nahm ihre Bestellung auf. Sie bestellte nicht nur
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