Kerstin Gier 2

andere Ecke des Wohnzimmers. Alle Mädchen aus der Spongebob-Labyrinth-Ecke stürzen zu ihr, während die Jungs eine neue Spielrunde starten. Die Erwachsenen in der Küche sagen keinen Ton. Die arme Aurelie ist irritiert. Ihre braunen Mandelaugen wandern von einem zum anderen.
    »Ist irgendwas? Ihr seid alle so ruhig.«
    Die Arme. Man muss was zu ihrer Verteidigung sagen. Andere Länder, andere Sitten? Vielleicht hat es ja sogar einen religiösen Aspekt bei ihr? Ich weiß nicht …
    »Also, Aurelie, alle Achtung, das war mutig.«
    »Was war mutig?«
    »Na, einfach mal ein Geschenk mitzubringen.«
    »Ja, finde ich auch. Eine wunderbare Geste der Verbundenheit.«
    »Habt ihr gesehen, wie Laura sich gefreut hat?«
    »Man muss nur das Richtige erwischen, und schon hat man jemanden glücklich gemacht.«
    »Wirklich Aurelie, das war die richtige Aktion zur richtigen Zeit.«
    »Oh, danke. Nicht der Rede wert.«
    »Kommt, lass uns anstoßen, wir sind komplett.«
    Ich falle auf einen Stuhl und trinke mein Glas Sekt auf ex. Neben mir hält Bernd schon sein Smartphone bereit. Die Gespräche im Hintergrund höre ich nur mit halbem Ohr. Und es macht auch nichts, wenn ich nicht alles mitbekomme. Schon jetzt steht fest, ich werde das Wichtigste nachlesen können. In einem Buch, das bald erscheinen wird und in dessen Titel die Worte »Aurelie« und »Prinzip« vorkommen werden. Aber bis dahin wird es noch eine Menge Bundesligapartien geben.

 
    Sonntag
    Ich bin dafür, dass wir das Günther-Prinzip bei uns auch einführen. In letzter Zeit ist es mit den Geschenken auf den Kindergeburtstagen immer weiter eskaliert: größer, teurer, spektakulärer … Ich finde, das artet für uns Mamis wirklich jedes Mal in riesengroßen Stress aus. In der Zeit, die ich gebraucht habe, um Sophies Geburtstagsgeschenk zu besorgen, hätte ich einen Roman schreiben können. Im Ernst, Mädels, sollen wir das nicht einfach abschaffen?
    Frauke
    Sonntag
    Super Idee, Frauke, dieser Geschenkescheiß nervt mich schon ewig. Und apropos Roman: Meiner ist mittlerweile achtzig Seiten lang, schreibt sich von ganz allein. Und es ist irgendwie das Beste, was ich jemals gelesen habe, ehrlich. Endlich eine Protagonistin, mit der ich mich identifizieren kann.
    Machen wir die nächste Leserunde dann zu meinem Buch?
    Sabine
    Sonntag
    Ganz abschaffen fänd ich jetzt nicht so toll. Ich wäre dafür, dass wir ab sofort nur noch Selbstgemachtes verschenken dürfen. Wir könnten es »Das Gitti-Prinzip« nennen. Ich kann gern einen Kurs dazu anbieten.
    Mami Gitti
    Sonntag
    Wehen! Hurra, es geht los. Ich freu mich so!
    Mami (bald nicht mehr Kugelbauch) Ellen
    PS: Tat es beim letzten Mal auch so scheißweh? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern.

Über die Autorin
    Kerstin Gier, Jahrgang 1966, lebt mit ihrer Familie in einem Dorf in der Nähe von Bergisch Gladbach. Sie schreibt mit sensationellem Erfolg Romane. FÜR JEDE LÖSUNG EIN PROBLEM und ihre MÜTTER-MAFIA -Romane wurden durch Mundpropaganda Bestseller und mit enthusiastischen Kritiken bedacht. Durch ihre Jugendbücher RUBINROT , SAPHIRBLAU und SMARAGDGRÜN ist ihre Fangemeinde noch größer geworden.
www.kerstingier.com