Holly greift nach den Sternen
PROLOG
M ark Harlow, Sie werden in folgenden Anklagepunkten Harlow, Sie werden in folgenden Anklagepunkten für schuldig befunden: des fünffachen Einbruchs, des zweifachen Betrugs und des Insiderhandels.«
Holly gab sich große Mühe, nicht ständig am Kragen ihres schwarzen Kleids herumzuzupfen. Das Kleid wirkte sittsam und genau diesen Eindruck wollte sie erwecken. Aber auch bei einer auf höchster Stufe laufenden Klimaanlage herrschte im April in L. A. nicht die richtige Temperatur für Kleider aus schwarzem Wollstoff - selbst wenn sie von Marc Jacobs waren und einen hinreißenden Kontrast zu ihren frisch blondierten Strähnchen bildeten.
Ihr Vater zeigte bei der Urteilsverkündung nicht die geringste Gefühlsregung. Hollys Gesicht war genauso ausdruckslos, während sie dem Gerichtszeichner zusah, wie er eifrig zeichnete. Sie nahm sich vor, mit ihrem Publicityagenten darüber zu reden, denn auf dem Bild, das gestern Abend in den Nachrichten von ihr gezeigt worden war, hatte sie ausgesehen wie dreißig.
Sie rückte ihre Chanel -Sonnenbrille zurecht und hörte aufmerksam zu, als der Richter sich noch einmal ausführlich über alle Verbrechen ihres Vaters ausließ, bevor er das Strafmaß verkündete.
Da gab es das neue Spielkasino in Las Vegas, das nie gebaut worden war. Die zwielichtigen Investmentgeschäfte. Die geheimen Konten in der Dominikanischen Republik, von denen er schwor, sie seien von seinen Geschäftspartnern geleert worden, was bedeutete, dass …
»Sie haben siebzehn Millionen Dollar Ihrer Tochter veruntreut, die Ihnen seit ihrem dritten Lebensjahr ihre Gagen anvertraute, damit Sie das Geld für sie verwalteten. Bedauerlicherweise kann ich Sie nicht dafür bestrafen, dass Sie Ihr eigenes Fleisch und Blut betrogen haben. Das ist nicht Aufgabe dieses Gerichts. Es wäre die Aufgabe Ihres Gewissens. Da Sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, Ihre Tochter für den erlittenen Verlust zu entschädigen, bleibt mir keine andere Wahl, als Sie zu drei Jahren Gefängnis zu verurteilen.«
Jetzt schwitzte ihr Vater, Tröpfchen klebten an seiner Stirn, als er auf der Anklagebank leicht wankte. Ihre Mutter Amber stieß ein verzweifeltes Gewinsel aus, aber Holly saß regungslos mit im Schoß gefalteten Händen da, während ihr Vater in Handschellen abgeführt wurde.
Vor dem Gerichtsgebäude wartete ein Schwarm von Journalisten. Kameras blitzten. Als Amber und Holly oben an der Treppe stehen blieben, stützte ihre Mutter sich schwer auf den Arm ihres Anwalts.
»Was sagen Sie dazu?«
»Holly, was hältst du von dem Urteil?«
»Stimmt es, dass du nach England gehst?«
»Die Familie Harlow wird eine Pressemitteilung abgeben«, blaffte ihr Anwalt. »Bis dahin: kein Kommentar.« Er bahnte ihnen nun mithilfe zweier Polizisten einen Weg durch die Menge, aber Holly zögerte.
»Ich wollte mich nur bei meinen Fans bedanken, dass sie mich in dieser schweren Zeit unterstützt haben.« Ihre Stimme zitterte zum Schluss etwas. Kaum wahrnehmbar, doch es verriet jede Menge stiller Würde. Ganz anders Amber, die hysterisch in ein zerknäultes Taschentuch schluchzte. »Aber ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass unsere Familie Zeit braucht, um mit dieser Tragödie fertig zu werden.«
»Holly, bist du denn nicht wütend auf...?« Ein Reporter schob ihr sein Mikro direkt ins Gesicht und riss dabei fast ihre Sonnenbrille herunter. Diese Leute waren ja so was von unhöflich.
»Keine weiteren Fragen«, sagte der Anwalt bestimmt, und sie eilten mit gesenkten Köpfen weiter in die Sicherheit der wartenden Limousine.
Gott sei Dank hatte sie getönte Scheiben. Als die Tür hinter Holly ins Schloss fiel, nahm sie die Brille ab und schüttelte ihre Haare. Nur gut, dass sie sich heute Morgen genug Zeit zum Föhnen genommen hatte.
»Das ist nicht zu fassen!«, zischte Amber, während ihr Tränenstrom abrupt versiegte. Wie durch ein Wunder war ihre Wimperntusche kein bisschen verlaufen. »Wie konntest du nur deinen Vater verklagen? Nach allem, was wir für dich getan haben!«
Holly legte eine Hand aufs Herz, das immer noch ruhig schlug. »Ich hab dir doch gesagt, dass es nicht meine Schuld war.« Holly holte tief Luft. »Es war irgendwie so eine Anwaltssache. Ich bin total am Boden zerstört.«
Das war die Untertreibung des Jahres.
Ihr lieber Papa hatte ihr siebzehn Millionen geklaut und bekam dafür nur mickrige drei Jahre Knast. Was war das denn? Wenigstens kam er in den Knast, und Holly hoffte mit jeder Faser
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