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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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schon.«
    »Großvater geht’s bestimmt bald besser«, fügte ich schnell hinzu, weil ich unbedingt loswollte. Dad schaute aus dem Fenster, ohne die Gruppe von Mädchen zu bemerken, die in kurzen Kleidern und Highheels vorbeistöckelten. Die Absätze waren gut zehn Zentimeter hoch, und ich machte mir plötzlich Sorgen, ob ich mit meiner Jeans und flachen Schuhen albern aussah.
    »Er kam mir nur so … Ach, ich weiß nicht. So alt vor, irgendwie.«
    Ich starrte auf meine Schuhe und versuchte mir vorzustellen, wie die auf andere wirkten. »Aber er ist ja auch alt, Dad.«
    »Früher ist er Marathon gelaufen.«
    Ich schaute erstaunt auf. »Wirklich?«
    »Oh ja. Er war topfit. Einmal hat er es in knapp drei Stunden geschafft.«
    »Ist das gut?«
    Dad lächelte, sah aber traurig aus. »Das ist viel mehr als nur gut, Schatz. Und er konnte tanzen. Oma auch. Die waren ein tolles Paar.«
    Die Musik im Haus wurde lauter, und immer mehr Leute liefen darauf zu – ein Pärchen, zwei Jungen in karierten Hemden und ein Mädchen aus der Klasse über mir in einem gepunk teten Kleid. Meine Beine zuckten schon regelrecht. Dad war in Gedanken versunken. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber die Party war direkt vor meiner Nase, und die Zeit lief lief lief . Als genug Anstandssekunden verstrichen waren, beugte ich mich ins Auto, gab Dad einen kurzen Kuss auf die Wange und trabte los. Dabei musste ich daran denken, welche Musik Großvater wohl früher gut gefunden hatte und wie er ausgesehen hatte, als er damals tanzte, mit einem Körper, der so jung gewesen war wie meiner jetzt.
    Einfach, weil ich es tun konnte, weil ich nicht steifbeinig oder gebrechlich war oder nach einem Schlaganfall im Krankenhaus lag, rannte ich mit großen Schritten weiter und war dabei dankbar für meine funktionierenden Gliedmaßen und Gelenke und die Tatsache, dass ich nicht alt war. Als ich das Haus erreichte, raste mein Puls wie verrückt. Die Haustür stand offen, und ich sah Leute reingehen. Ich blieb am Gartentor stehen, schubste die Luftballons beiseite und ließ das alles auf mich wirken. Ganz ehrlich, für mich sah das aus wie eine ganz neue Welt, nicht nur wie ein Hausflur mit einem alten blauen Teppich. Mein Magen flatterte, und ich fühlte mich quicklebendig und jung, Mr Harris, auf eine ganz besondere Art. Ich genoss diesen Augenblick, dann ging ich den Gartenweg entlang und vermied es dabei, auf die Ritzen zwischen den Platten zu treten.
    »In einem reißenden Fluss von Stein zu Stein hüpfen? Oder Hürdenlauf bei den Olympischen Spielen?« Auf einer Bank im Garten saß ein Junge, den ich nicht kannte, und starrte mich unverwandt an. Braune Augen. Wirre blonde Haare, die aussahen, als seien sie noch nie gebürstet worden. Schlank, die sehnigen Arme vor der Brust verschränkt. »Was sollte das denn werden?«, rief er über die laute Musik hinweg und deutete auf die Ritzen.
    Ich zuckte die Achseln. »Nichts. Ich bin nur abergläubisch. Es bringt Unglück, wenn man auf die Ritzen tritt, oder nicht?«
    Der Junge wandte den Blick ab. »Schade.«
    »Schade?«
    »Ich dachte, du spielst was.«
    »Kann ich auch, wenn du das möchtest«, gab ich zurück und wunderte mich über meine Stimme. Selbstsicher. Und so ein flirtender Tonfall, den ich bislang nicht von mir kannte.
    Der Junge betrachtete mich, jetzt wieder interessiert. »Okay … ich stell dir eine Frage. Wenn die Ritzen gefährlich wären – was wären sie dann?«
    Ich überlegte, während drei Mädchen vorbeistöckelten und einen abfälligen Blick auf mein Outfit warfen. »Mausefallen«, antwortete ich.
    »Mausefallen? Du kannst dir wer-weiß-was Gefährliches einfallen lassen und entscheidest dich für Mausefallen ?«
    »Na ja …«
    »Keine Krokodile oder dunklen Schlangengruben. Sondern klitzekleine Mausefallen mit Cheddar-Stückchen auf dem Schnappteil?«
    Ich trat einen Schritt näher, dann noch einen, weil mir das Ganze Spaß machte. »Wer sagt denn, dass es klitzekleine Mausefallen sind?« Ich stocherte mit der Fußspitze in den Ritzen. »Vielleicht sind es gigantische Fallen mit vergiftetem Käse und Stacheln, die meine Zehen zerfetzen können.«
    »Sind es solche?«
    Ich zögerte. Dann grinste ich. »Nein. Es sind klitzekleine Mausefallen mit Cheddar-Stückchen auf dem Schnappteil.«
    Über unseren Köpfen flog etwas in den Baum und gab einen dunklen Ruf von sich.
    »Eine Eule!«, rief ich aus.
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Schon wieder.«
    »Was schon wieder?«
    Er seufzte und

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