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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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jung.«
    »Stimmt«, sagte ich. »So ist es.« Es war die weiseste Unterhaltung der Welt, und ich lächelte wissend wegen meiner Weisheit und vermutlich auch wegen des Whiskys. Max beugte sich zu mir, und seine Nase streifte meine Wange.
    »Du bist nett, Zoe«, sagte er, und weil er sich meinen Namen gemerkt hatte, küsste ich ihn auf die Lippen.
    Jetzt werden Sie wahrscheinlich unruhig auf Ihrem Bett, Mr Harris, weil Sie nicht wissen, was als Nächstes passiert, und ich gehe jede Wette ein, dass Ihr Bett quietscht, weil das Geld im Knast nicht für Komfort ausgegeben wird, solange andere Insassen versuchen auszubrechen. Aber Sie bestimmt nicht. Ich denke mal, Sie sitzen ganz ruhig in Ihrer Zelle und haben Ihr Schicksal akzeptiert, weil Sie glauben, dass Sie nichts Besseres verdient haben als zu sterben. Offen gestanden erinnern Sie mich ein bisschen an Jesus. Sie müssen Sünden tragen, und er musste Sünden tragen, aber das war viel schwerer, ich meine, stellen Sie sich nur mal die Last sämtlicher Sünden der Welt vor.
    Ich weiß nicht, welches Verbrechen am schwersten wäre, wenn man die wirklich abwiegen könnte, so wie wenn man Mehl auf eine Waage schüttet. Aber ich glaube, Ihres wäre nicht das schwerste. Wahrscheinlich hätten viele Männer so gehandelt, nach dem, was Ihre Frau zu Ihnen gesagt hat. Denken Sie daran, wenn Sie sich schuldig fühlen. Vor ein paar Monaten habe ich mir eine Liste von Männern ausgedruckt, die ganze Völker ermordet haben, und wenn ich nachts nicht schlafen kann, zähle ich nicht Schäfchen, sondern Diktatoren. Ich lasse sie über eine Mauer springen. Hitler und Stalin und Saddam Hussein hopsen in ihrer Uniform über eine Mauer, und ihre dunklen Schnurrbärte werden vom Wind zerzaust. Das sollten Sie sich vielleicht auch mal vorstellen.

    Ich sage mir immer, dass ich vor einem Jahr, als Max im Garten den Arm um mich legte, nicht wissen konnte, was passieren würde. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie ich einfach mitgerissen wurde von der Situation. Ich konnte kaum noch gehen, als Max mich ins Haus und nach oben in sein Zimmer führte, wo es nach Staub und alten Socken und Aftershave roch. Max machte Licht an und schloss die Tür, ich stieg über ein Paar zerknäulte Boxershorts auf dem Boden. Eine Hand in meinem Rücken schob mich zur Wand. Ich schaute über die Schulter und sah Max lächeln. Er schob mich noch fester vorwärts, bis erst meine Hände die Wand berührten und dann mein Körper und mein Kopf an das Poster einer nackten Frau gedrückt wurden. Das Poster war schön kühl, und ich lehnte die Stirn an den Bauch des Models und spürte, wie Max meinen Nacken küsste. Es kribbelte, und ich dachte, wenn Strom einen Mund hätte, würde es sich genauso anfühlen.
    Das war der Funke, und dann explodierten wir, unsere Hände gierig, unsere Lippen heiß und unser Atem schnell und hastig. Max drehte mich zu sich um und steckte mir die Zunge in den Mund. Seine Arme packten mich und hoben mich hoch. Meine Hände umklammerten seine Schultern, und das Zimmer drehte sich vor meinen Augen. Blaue Vorhänge, weiße Wände, ein leerer Schreibtisch. Ein zerwühltes Bett schlingerte auf uns zu, als wir kopfüber darauffielen.
    Max war über mir, sein Blick wild und entschlossen, als er mich küsste. Seine Lippen fanden meine Wange und mein Ohr und mein Schlüsselbein und wanderten über meine Haut, als er mein Top hochzog. Ich trug keinen BH, und da waren meine Brüste, mitten im Bett eines Jungen, blass und spitz. Max keuchte. Und dann fasste er mich an. Zuerst sanft, dann immer fester. Er wusste genau, was er tat, und es fühlte sich so gut an, dass ich stöhnte. Ich schloss die Augen, als Max’ Lippen meine Brust berührten, und hier sollte ich jetzt wohl mal aufhören, Mr Harris, weil ich morgen Schule habe und außerdem fürchterlich rot werde.
    Sie werden es nicht glauben, aber die Spinne ist immer noch da und starrt aus dem Fenster auf all das Schwarz und Silber, und wenn Sie mich fragen: Ich denke, sie schläft, denn so faszinierend das Universum auch ist, kann doch niemand es so lange anschauen, ohne sich zu langweilen – außer vielleicht Stephen Hawking. Ich frage mich, ob Sie wohl von Ihrer Zelle aus den Himmel sehen können und ob Sie jemals über das Weltall nachdenken und sich überlegen, dass wir nur ein winziger Punkt in dieser Unendlichkeit sind. Manchmal versuche ich mir unser Haus in der Vorstadt vorzustellen und dann das ganze Land und die ganze Welt und am Ende

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