Ketten der Liebe
heiraten würde.
»Ich finde ihre Art, zu sprechen, viel zu keß«, bemerkte Alulas Mutter Zaynab gegenüber. Sheila war zum Inbegriff der malinaeischen Ehefrau geworden. Ihr Ehemann hatte kein anderes Weib genommen, obwohl er sich in seinem Harem zwei hübsche Frauen als Konkubinen hielt. Sie waren beide kinderlos, und wenn es nach Sheila ging, sollte es auch so bleiben.
»Ich finde sie lustig«, erwiderte Zaynab. »Ich möchte nicht, daß Ja'far eines Tages irgendein folgsames und langweiliges Mädchen heiratet. Alula als Schwiegertochter würde mir schon gefallen, falls sie meinem Sohn gefällt. Die Wahl wird jedoch bei ihm liegen, wenn es einmal soweit ist. Er muß sich genauso verlieben wie wir.«
»Ja«, stimmte Sheila ihr zu.
Zaynab wurde für einen Moment still und ließ die letzten zehn Jahre ihres Lebens Revue passieren.
Lächelnd erinnerte sie sich an den Ausdruck auf dem Gesicht Karims in jener ersten Nacht, als das Mondlicht ihm ihre Identität offenbarte. Er hatte zunächst ungläubig geschaut, dann, als er sich sicher war, daß er sich nicht irrte, jedoch freudestrahlender als alles, was sie bisher gesehen hatte. Sie hatten sich vor Glück in den Armen gelegen und geweint. Dann hatten sie sich geschworen, sich niemals wieder zu trennen. Sie war tatsächlich zu ihm nach Hause gekommen. Ja'far war genau neun Monate nach jenem Tag geboren worden, und Malina hatte mit ihrem Prinz und ihrer Prinzessin über die Geburt eines Sohnes gejubelt.
Die übrigen Kinder waren nach und nach gefolgt, während Malina einen wirtschaftlichen Aufschwung wie nie zuvor erlebte. In den Basaren des winzigen Landes und in seiner einzigen Stadt schrieben die Leute den Reichtum Malinas dem Glück ihres Regenten und der Fruchtbarkeit seiner schönen Frau zu.
In al-Andalus herrschte eine starke Nachfrage nach Silber und Erzeugnissen aus Malina, und so stiegen die Preise in die Höhe.
Auch die Stämme in den Bergen gediehen unter Karims Herrschaft prächtig. Ihre Herden wurden auf Wiesen mit saftigem Gras fett und ließen sich auf dem jährlichen Pferdemarkt, den der Prinz jeden Herbst in Alcazaba Malina veranstalten ließ, zu Höchstpreisen verkaufen. Nur ein Zehntel jedes Verkaufs mußte an die Regierung abgeführt werden. Zufrieden stifteten die Stämme somit keine Unruhe.
Die wirtschaftliche Blüte Malinas schlug sich unter der Herrschaft Abd-al Rahmans auch in ganz al-Andalus nieder. Cordoba war die wohlhabendste Stadt Europas und gleichzeitig ihr politisches und intellektuelles Zentrum, wobei sie sowohl Bagdad als auch Konstantinopel hinter sich ließ.
Gesandtschaften aus Frankreich, dem deutschen Reich Ifriqiya und dem Osten kamen an den Hof des Kalifen, um ihren Respekt zu zollen, zu lernen und zu staunen. Abd-al Rahman vergrößerte die Zentralmoschee in Cordoba, indem er ein prachtvolles Minarett anbauen ließ, auf dem sich drei Kugeln in der Form von Granatäpfeln befanden. Zwei waren aus Gold und eine aus Silber. Zusammen wogen sie drei Tonnen. Die arabische Übersetzung der De Materia Medica wurde vollendet, und die medizinische Universität wurde in Cordoba gegründet. Die Studenten mußten somit nicht länger nach Bagdad reisen, um Arzt zu werden.
Der Prinz und sein Wesir betraten die Gärten. In Alaeddin ben Omars schwarzem Bart machten sich erste silberne Strähnen bemerkbar. Als Alula sich ihrem Vater in die Arme warf, mußte er lächeln. Er hob sie hoch und küßte sie auf ihre rosige Wange. »Sie ist bereit für einen Prinz!« sagte er unter anschwellendem Gelächter.
»Ermutige nicht ihr schlechtes Benehmen«, schimpfte Sheila ihren Ehemann aus.
»Oh, ich werde sie eines Tages heiraten«, sagte Ja'far ibn Karim mit einem Zwinkern in seinen blauen Augen, »aber sie muß sich erst noch ein schönes Paar Brüste wachsen lassen.«
»Ja'far!« sagte seine Mutter ernst, lachte dann aber.
»Ganz der Vater«, murmelte Karim. Er nahm neben seiner Frau Platz, schlang den Arm um ihre Taille und küßte sie aufs Ohr.
Zaynab lächelte und wandte sich ihm verliebten Blickes zu. Sie liebte ihn noch mehr als an dem Tag, als sie zum ersten Mal zusammengeführt worden waren. »Ich wünschte«, sagte sie, »daß es ewig so weitergehen könnte, Karim.«
»Ja, mein Juwel«, antwortete er. »Wenn es das Paradies auf Erden gibt, dann haben wir es hier gefunden!«
Die Kinder rannten lachend und spielend um die vier Erwachsenen herum. Ihre jungen Gesichter leuchteten unschuldig und zufrieden, und ihre Gedanken
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