Kill Decision
Rücken.
«Wir müssen die Blutung stoppen. Sonst schafft sie’s nicht.»
Jetzt verschwamm auch der letzte Rest. Sie versuchte etwas zu sagen, war aber zu müde. Sie sank unter Wasser. Ins Schwarz. In die Stille.
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22
Zuflucht
Linda McKinney fühlte im Erwachen warme Luft über ihr Gesicht streichen. Als ihre Augen sich fokussierten, sah sie weiße Gazegardinen an einer Reihe hoher Fenster sachte im Luftzug wehen. Sonne drang herein, blendend weiß. Sie lag unter einem frischen Decklaken in einem richtigen Bett mit einem Kopfteil aus roh behauenem Kiefernholz. Ihr Kopf ruhte in sauberen Kissen. Dicke Holzbalken durchzogen die Decke über ihr. Die Wände waren aus Natursteinmauerwerk. Das war ein altes Haus. An der Wand überm Bett hing ein Kreuz, und an der Wand daneben sah sie gerahmte Heiligenbilder und sepiafarbene Fotos von Menschen mit gestärkten Kragen und schwarzen Kleidern.
McKinney fühlte ein Stechen in ihrer Hand und sah einen Tropfschlauch an einem Katheter, der auf ihrem Handrücken festgetapt war. Der Schlauch führte zu einem Tropfbeutel an einem Ständer neben dem Bett. Ihr rechtes Bein fühlte sich ganz oben eingeengt an, als ob es mit Binden umwickelt wäre – und von irgendwo tief in ihrem Oberschenkel kam ein beißender Schmerz. Sie fühlte das Spannen von Nahtstichen.
Etwas machte leise Kiek, kiek .
McKinney blickte zum Fußteil des Betts. Ein großer Rabe betrachtete sie und entfaltete die Flügel. Dann plusterte er Hals- und Kopfgefieder. Krah.
McKinneys Stimme kam heiser heraus. «Munin.» Sie hatte keine Ahnung, woher sie wusste, dass der Vogel weiblich war. Vielleicht war es etwas in seinem Verhalten. Sie hatte einfach das Gefühl, es zu wissen.
Der Rabe krächzte mehrmals laut, flog dann zwischen den Gardinen hindurch ins Freie.
Da waren Schritte. Die schwere Zimmertür öffnete sich, und herein kam eine alte Frau mit einem braunen, von der Zeit gegerbten Gesicht. Ihr langes graues Haar war oben von einem straff gebundenen Kopftuch bedeckt, und sie trug ein Kleid aus grobem braunem Stoff mit einer aufwendig bestickten weißen Schürze und ebensolchem Kragen.
McKinney nickte ihr zu.
Die alte Frau sagte in beruhigendem Ton: «Kehaca ti ictok.» Sie hob die Hand.
McKinney versuchte sich an das wenige Spanisch zu erinnern, das sie auf ihren Südamerikaexpeditionen gelernt hatte. Aber sie war ja die meiste Zeit im Amazonasbecken gewesen. Portugiesisch nützte wohl nichts. Doch wie Spanisch hatte das auch nicht geklungen. Sie räusperte sich und sagte langsam auf Englisch: «Wo bin ich hier?»
Die alte Frau lächelte freundlich, fasste ihren Arm und tätschelte ihn. «Ni we-wen ci.» Sie drehte sich zu der schweren Eichenholztür mit den schwarzen schmiedeeisernen Angeln. «Lalenia! Lalenia!» Die kräftige Stimme der alten Frau verblüffte McKinney. Irgendwo draußen bellten Hunde. McKinney versuchte, sich ein wenig aufzurichten.
Erneut Schritte, die Tür ging wieder auf, und herein kam eine wesentlich jüngere Latina in Jeans und einem weißen Hemd. Ihr langes schwarzes Haar war zurückgebunden, und sie hatte ein schönes mandelförmiges Gesicht mit mokkabrauner Haut. Sie kam lächelnd auf das Bett zu, gestikulierte zu der alten Frau hin und sagte in derselben Sprache: «Wala seh yanok Ratón.»
Dann wandte sich die jüngere Frau an McKinney und sagte auf Englisch mit spanischem Akzent: «Wie fühlen Sie sich, Professor McKinney?»
McKinney sah sich im Zimmer um. «Schwach. Wo bin ich hier?»
«Sie sind in Tamaulipas in der Nähe von Kalitlen.» Auf McKinneys ratlose Miene hin setzte sie hinzu: «Mexiko.»
«Wie lange war ich bewusstlos?»
Die junge Frau sagte leise etwas zu der Alten, die nickte und hinausging. Dann trat die junge Frau an McKinneys Bett und zog aus der Brusttasche ihres Hemds eine Stiftlampe. «Sie waren mehrere Tage bewusstlos. Sie hatten eine Menge Blut verloren, und wir haben Ihre Thrombozytenwerte aufgebaut.»
McKinney hielt die Lider offen, als die Frau mit der Stiftleuchte ihre Pupillenreaktion prüfte. «Ich bin angeschossen worden.»
«Ja, ich weiß. Die Kugel hat Ihre Femoralarterie angerissen.» Die Ärztin nahm die Stiftlampe herunter. «Sie hatten großes Glück, dass nicht noch Schlimmeres passiert ist.»
McKinney erinnerte sich, dass sie mit einem teuflischen Spielzeug gekämpft hatte – einem, dessen Gehirn sie selbst zu entwickeln geholfen hatte. «Ja.» Sie war plötzlich sehr müde.
«Mooch ist ein guter
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