Kill Decision
großer Teil des Lebens entgeht.»
«Ich nehme an, in seinem Metier ist man eben vorsichtig mit Vertrauen.»
«Sie vergessen, dass ich im selben Metier bin wie er. Und er war schon so, als er zu uns kam. In seiner Kindheit haben sich so ziemlich alle, die sich um ihn hätten kümmern sollen, nicht um ihn geschert. Er hatte Probleme. Lernschwierigkeiten. Später hat sich herausgestellt, dass er nicht dumm war, sondern im Gegenteil extrem intelligent. Niemand hat das registriert. Er ist in Erziehungsheimen groß geworden.»
McKinney sah Odin den Ball hochhalten; die Jungen kreischten vor Lachen. «Warum erzählen Sie mir das?»
«Weil dieser Mann wie ein Bruder für mich ist. Ich liebe ihn wie mein eigen Fleisch und Blut. David gibt sich nach außen hin unverletzlich – als ob ihm nichts etwas anhaben kann –, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt.»
McKinney nickte langsam und sah zu, wie Odin den Ball einem der kleineren Jungen brachte.
Mouse atmete tief durch und klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. «Die Miliz macht heute Abend ein Fest. Zur Feier der Tatsache, dass das Team wieder hier ist. Ich hoffe, Sie kommen auch.»
«Mir ist nicht so nach Feiern.»
«Der beste Moment, Freundschaft zu feiern, ist dann, wenn die Lage am schlimmsten ist.» Mit einem letzten Klopfen auf die Tischplatte stand er auf und ging lautlos davon.
In der kühlen Abendluft war der Hof der Hazienda voll mit Einheimischen in wenig luxuriöser, aber neuer Kleidung – Männer mit buntbedruckten Hemden, Cowboyhüten und Stiefeln, die Frauen in Baumwollkleidern mit Schultertüchern. Der Hof war mit weißen Lichterketten geschmückt, und an einer Mauer zum Garten hin war eine Bühne aufgebaut, auf der eine große Band aus Gitarristen, Geigern, Sängern – und sogar einem Harfenisten – spielte. Die Tische waren weggeräumt, und die Leute tanzten ausgelassen.
McKinney humpelte an einer Krücke herbei, lehnte sich an einen großen Baum und beobachtete die Festlichkeiten. Es war eine Art von Musik, die sie noch nie gehört hatte. Keine Trompeten – fast wie Country oder Bluegrass. Mit einem lebhaften Rhythmus.
Der Geruch eines am Spieß bratenden ganzen Schweins zog zu ihr herüber und auch der von gegrilltem Gemüse und Obst. Tequila, Bier und Wein flossen. Überall um sie herum Lachen und fröhliche Gesichter. Sie kannte das aus anderen kriegsgeplagten Weltgegenden. Niemand genoss glückliche Momente intensiver als Menschen, die finstere Zeiten durchmachten. Da hatte Mouse recht. Gemeinschaft, das war es, was den Leuten Kraft gab.
Am anderen Ende des Hofs, zwischen bewaffneten Milizionären, bildete Odins Team einen Kreis, jeder mit den Armen um seine Nachbarn. Einige Teammitglieder wirkten ziemlich betrunken. McKinney sah den Schmerz in ihren Gesichtern. Smokey weinte, während Odin ihm tröstend übers militärisch kurze Haar strich. Foxy hob eine Bierflasche, und alle schütteten etwas vom Inhalt vor sich auf den Boden. Es schien eine Art Gedenkritual für ihren gefallenen Kameraden zu sein.
Doktor Garza legte den Arm um McKinney. «Wie fühlen Sie sich, Professor?»
McKinney sah sie an. «Steif, aber ich habe beschlossen, Mouse’ Rat zu befolgen.»
«Gut. Sie müssen das Bein trainieren. Aber nicht tanzen!»
McKinney lachte. «Keine Bange.» Sie deutete auf die Band. «So eine Mariachi-Band habe ich noch nie gehört.»
«Das kommt daher, dass das keine Mariachi-Band ist. Das ist ein Conjunto huasteco – für Ihre Ohren wahrscheinlich ein bisschen ungewohnt. Oh, schauen Sie …» Sie zeigte auf Foxy, der jetzt plötzlich auf der Bühne auftauchte. Er griff sich eine kleine Gitarre, als die Band ihn zum Mitspielen drängte. «Foxy hat eine seltene Begabung für den Son hoasteco . Er muss irgendwoher Maya-Blut in den Adern haben.» Sie grinste schelmisch.
McKinney bemerkte, dass sich die Gruppe der trauernden Kommandosoldaten bereits aufgelöst hatte. Foxy bezog auf der Bühne Position, während die Leute im Hof klatschten und ihn anfeuerten.
«Foxy, toca una canción!»
Lachen und Klatschen. McKinney musste einfach mitlächeln. So ansteckend war die Fröhlichkeit der am Rand der Menge herumhüpfenden Kinder, die Foxy aufforderten, etwas zu spielen.
Mutig schlug Foxy ein paar Akkorde auf der geborgten spanischen Gitarre, und unter anerkennenden Rufen der Menge fand er sich in das Spiel der übrigen Band ein. Doch bald schon begann er um die Musik der anderen herum zu improvisieren, und die Leute jubelten
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