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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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darüber sinnierte, was für ein Glück es war, dass das schöne Haus nach so langer Zeit wieder einen Besitzer gefunden hatte. Fieberhaft ging er seine Optionen durch. Er musste von hier verschwinden. Jemand holte Informationen über ihn ein. Sie recherchierten noch, waren sich vielleicht nicht schlüssig, ob er wirklich der war, für den sie ihn hielten. Sie wollten sich abzusichern. Deshalb das Foto, deshalb der Versuch, beim Dorfvorsteher mehr über ihn zu erfahren.
    Wer steckte dahinter? Eine Polizeibehörde, ein Geheimdienst? Oder jemand, der privat eine Rechnung begleichen wollte? Er fragte sich, wie viel sie wussten. Seine Legende war sorgfältig konstruiert, Nicolá Martin ein solider Charakter, der einer eingehenden Überprüfung standhalten konnte. Ein vager Verdacht würde wohl abzulenken sein. Doch was, wenn sie über diesen Punkt schon hinaus waren? Was, wenn es nur noch darum ging, die Rahmenbedingungen für einen Zugriff festzulegen?
    Die oberste Regel lautete, in Bewegung zu bleiben. Gleichzeitig sollten seine unbekannten Gegenspieler nicht wissen, dass er Verdacht geschöpft hatte. Er musste verreisen, doch ohne ihren Argwohn zu erregen und sie damit zu überstürztem Handeln zu zwingen.
    „Vielen Dank für Ihre Zeit“, sagte er mechanisch, während er vom Stuhl aufstand.
    „Oh, keine Ursache. Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich hoffe, dass Sie mir bald wieder die Ehre erweisen.“
    „Sehr gern.“ Er zögerte. „Ich werde allerdings in den nächsten Wochen nicht zu Hause sein. Ich habe bereits seit längerem eine Reise geplant, die ich nun antreten werde.“
    „Wohin reisen Sie denn?“
    „Tripoli und dann weiter in Richtung Tyros, die archäologischen Stätten besichtigen.“
    Der Mukhtar murmelte etwas über die Schönheit der alten Tempel und begleitete ihn bis zur Tür. Natürlich würde er es unverzüglich seiner Frau erzählen, und heute Abend, beim Würfelspiel und einem Gläschen Arrak den anderen Männern im Dorf. Binnen eines Tages würde jeder in Hawqa wissen, dass Nicolá Martin es sich leisten konnte, nur zu seinem Vergnügen mehrere Wochen lang zu verreisen und heidnische Gräber zu besichtigen.
     
    Nach seiner Rückkehr durchsuchte er sein Haus erneut nach Abhörelektronik, diesmal noch sorgfältiger als beim ersten Mal. Auch sein Fahrzeug unterzog er einer gründlichen Überprüfung. Die Suche blieb erfolglos.
    Vor Einbruch der Dunkelheit machte er einen ausgedehnten Spaziergang über das Plateau. Dabei hielt er Ausschau nach Zeichen von Überwachung, nach Divergenzen im gewohnten Bild. Er fand nichts, aber das minderte seine Nervosität keineswegs. Im Verlauf des Abends packte er seine Reisetasche. Er rief das Al Naour Hotel in Tripoli an und buchte ein Zimmer für fünf Tage. Das Al Naour war ein Traditionshaus, in dem wohlhabende Libanesen und europäische Besucher gleichermaßen abstiegen. Eine Unterkunft, die zu Nicolá Martin passte.
    Danach ging er ins Atelier. Er schaltete das Licht ein und blieb auf der Schwelle stehen. Lange betrachtete er den Stapel abgedeckter Gemälde. Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte in langsamen, nachdenklichen Zügen. Es war möglich, sogar wahrscheinlich, dass sie sein Haus durchsuchten. Er wollte das Risiko nicht eingehen, dass sie die Bilder fanden.
    Mit hastigen Bewegungen zog er die Laken herunter. Er nahm ein Teppichmesser und trennte die Leinwände von den Holzrahmen, eine anstrengende, schweißtreibende Arbeit. Die leeren Rahmen stapelte er gegen die Wand und deckte sie wieder ab. Grob schob er Fasern und Gewebefetzen mit dem Fuß zusammen. Er sortierte die Leinwände in vier Stapel, rollte sie zusammen und verklebte die Zylinder mit Paketband. Als er einen Blick auf seine Armbanduhr warf, standen die Zeiger auf kurz nach Mitternacht.
    Lange starrte er auf die Bilderrollen hinab. Eigentlich hätte er die Bilder vernichten müssen. Er hätte sie gar nicht erst hierher bringen dürfen. Es waren immer Dinge wie diese, die Operationen gefährdeten und Tarnungen auffliegen ließen. Kleine Sentimentalitäten, die man für verzeihlich hielt. Er wusste das. Trotzdem konnte er sich nicht dazu durchringen, die Bilder zu verbrennen.
    Später ging er ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Lange Zeit verharrte er unter dem heißen Wasserstrahl, die Augen geschlossen, die Arme gegen die Wand gestützt. Wenn er morgen das Haus verließ, war es möglich, dass er für lange Zeit nicht zurückkehrte. Vielleicht nie mehr. Er

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