killer country: thriller (German Edition)
ihr Obed Chochos Kontoauszüge besorgte. Nur so wusste sie, womit sie es zu tun hatte. Bis auf den letzten Cent.
Sheemina February hatte es mit der Art von Geld zu tun, die ihr gefiel. Genauer gesagt, hatte sie es mit der Art von Aufträgen zu tun, die ihr gefielen.
Sie nahm ihr Handy und ging auf den Balkon hinaus, um ein paar Anrufe zu tätigen. Der Balkon lag im Schatten. Hier war es kühl. Im März verging der halbe Vormittag, ehe die Sonne die vordere Seite des Apartmentblocks erreichte. Sie strich mit ihrer steifen linken Hand, vernarbt und gefoltert, über das feuchte Chromgeländer. Die Feuchtigkeit auf ihrer Haut hatte etwas Beruhigendes. Sie starrte die verstümmelten Finger an, die Verfärbung der Haut, das Glitzern der Wassertropfen in ihrer Handfläche. Ganz gleich, wie sehr sie sich auch anstrengte, ihre Finger wollten sich nicht schließen. Ebenso wenig strecken. Nur leicht zucken konnten sie. Aber sonst nichts. Sie blieben wie Klauen.
Sie suchte eine Nummer heraus, die sich nun auf dem Display zeigte. Drückte die grüne Taste. Lauschte dem Klingeln am anderen Ende der Leitung. Vor ihr der stille Ozean, durchsetzt von weißen Möwen. Zuvor hatte sie beobachtet, wie sich die Vögel auf einen Schwarm kleiner Fische gestürzt hatten. Ein wahnsinniges Töten. Jetzt war nichts mehr davon zu erahnen. Friedlich und ruhig.
»Spitz«, sagte sie, als abgehoben wurde. »Stehen Sie zur Verfügung?«
»Wer spricht da?«, antwortete der Mann mit einem seltsamen deutschen Akzent. Brachte Sheemina February zum Lächeln. Sie blickte auf die Felsen hinunter. Es herrschte Ebbe. Seetang und Dinge, die das Meer angeschwemmt hatte, trockneten auf den Muschelbänken. Alles war ruhig.
»Nicht wichtig«, erwiderte sie. »Sie bekommen Ihr übliches Honorar plus Provision. Auf Anweisung eines Mannes namens Obed Chocho. Klingelt es da bei Ihnen?«
Spitz bejahte.
»Gut. Er hat von Ihnen gehört. Er kennt Ihre Arbeit. Deshalb die Provision.«
»Wie viele Aufträge wird es geben?«
»Zwei.«
»Das geht in Ordnung.«
Wieder lächelte sie. »Sie stehen also zur Verfügung.«
Statt auf Englisch zu antworten, sagte er auf Deutsch: » Ja, ja. «
»Wollen Sie die Details wissen?«
»Noch nicht.«
»Das sehen wir auch so«, erwiderte sie.
Sheemina February erklärte, er solle um sechzehn Uhr vor der Polizeiinspektion in Meadowlands sein. »Sie sind in Johannesburg?«, fragte sie. »In Melrose Arch, wenn ich richtig informiert bin? Sie nehmen also ein Taxi nach Soweto. Tut mir leid, falls das für Sie Unannehmlichkeiten bedeutet.«
»Geht in Ordnung«, sagte er.
»Nehmen Sie eine Tasche mit den nötigen Utensilien für eine Nacht mit. Sie werden einen Mann namens Manga treffen. Schwarz wie Sie. Er wird sich um den Transport und die Waffe kümmern.«
»Sie muss das richtige Kaliber haben.«
»Ich bin informiert«, erklärte sie.
Als Nächstes rief sie Manga an und vereinbarte alles Weitere mit ihm. Sagte: »Keine dummen Sachen, okay, Manga? Bring ihn einfach nur zu der Farm nach Colesberg. Dort soll er seinen Job erledigen. Und misch dich nicht ein.«
»Was glauben Sie, was ich bin?«, fragte Manga. »Ich kann so einen Job auch erledigen. Das hab ich schon gemacht. Den anderen brauchen Sie nicht.«
»Na klar«, erwiderte Sheemina February und bemühte sich nicht einmal, ihr Lachen zu unterdrücken.
Manga sagte: »Lachen Sie mich nicht aus.«
»Du bist ein witziger Typ«, sagte sie. Überlegte. »Okay, Manga. Da gibt es etwas, was du tun kannst. Während du in Colesberg bist.« Sie erklärte ihm, worum es sich handelte, und nannte ihm eine Adresse. »Interessiert?«
»Kein Problem«, sagte Manga.
Sie legte auf. Ließ das Handy in die Tasche ihres Kimono gleiten und dachte nicht mehr daran, welche Anweisungen sie gerade gegeben hatte. Schließlich war das der Wunsch ihres Klienten. Sie drehte sich zu ihrer Wohnung um und betrachtete erneut ihr Spiegelbild im Fenster. So manche Models würden sie um ihr Aussehen, ihre Figur beneiden. Sie lächelte. Blickte durch sich hindurch in ihr Apartment. Weiße Sofas, weiße Flokatiteppiche, weiße Wände. Sie lehnte sich an das Balkongeländer und bewunderte den makellosen Komfort des Zimmers. Hier war sie allein. Hier war noch nie ein anderer gewesen. Hier schmiedete sie ihre Pläne.
Sie musste sich duschen, anziehen, eine Tasche packen. Heute Abend würde sie diese Einsamkeit gegen ihr Townhouse eintauschen. Das Meer gegen die Rauheit der Stadt – die Sirenen, die
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