Killeralgen
Leute unter dem Gletscher haben es bis zum Observatorium geschafft. Die Luft, die in diesem Durchgang eingeschlossen wurde, dürfte das Wasser davon abhalten, bis zum Observatorium vorzudringen.«
»Das trifft zu«, sagte Lessard wenig begeistert.
»Wenn also dort Luft vorhanden ist, könnten sie durchaus noch am Leben sein.«
»Auch das ist richtig, aber ihr Luftvorrat ist begrenzt. Am Ende könnte es dazu kommen, dass die Lebenden die Toten um ihr Schicksal beneiden.«
Austin brauchte nicht eigens auf das furchtbare Schicksal hingewiesen zu werden, das Skye und den anderen blühte.
Selbst wenn sie die Flut überlebt hatten, erwartete sie ein langsamer und qualvoller Tod wegen Sauerstoffmangels. Er konzentrierte sich auf die Zeichnung und bemerkte, dass der Haupttunnel noch ein Stück über das Observatorium hinausreichte. »Wo führt der hin?«
»Er verläuft etwa anderthalb Kilometer weiter geradeaus und steigt allmählich zu einem anderen Eingang an.«
»Auch wieder so eine Röhre?«
»Nein. Dort befindet sich eine Öffnung ähnlich dem in einem Hügel oder in einem Berghang angelegten Eingang zu einem Bergwerk.«
»Das möchte ich mir genau ansehen«, verlangte Austin. In seinem Kopf entstand ein Plan. Er basierte auf Mutmaßungen und Wunschdenken, und es wäre eine ganze Portion Glück notwendig, wenn er funktionieren sollte, aber er war alles, was er hatte.
»Der Zugang liegt auf der anderen Seite des Gletschers. Man kommt nur auf dem Luftweg dorthin, aber ich kann Ihnen von hier zeigen, wo genau er sich befindet.«
Minuten später standen sie auf dem Flachdach des Kraftwerks.
Lessard deutete zu einer kleinen Schlucht auf der anderen Seite des Gletschers. »Die Tunnelmündung befindet sich in nächster Nähe dieses kleinen Tals.«
Austin folgte dem deutenden Finger mit den Augen, dann blickte er zum Himmel. Ein großer Helikopter näherte sich dem Kraftwerk.
»Gott sei Dank!«, rief Lessard. »Endlich reagiert jemand auf meinen Hilferuf!«
Die beiden Männer rannten nach unten und kamen aus dem Kraftwerksgebäude, während der Helikopter herabsank. Der Lastwagenfahrer und ein anderer Mann, wahrscheinlich die dritte Schicht, wie Austin annahm, waren ebenfalls herausgekommen und verfolgten, wie der Helikopter auf einem Landefeld, ein paar hundert Schritte vom Eingang zum Kraftwerk entfernt, aufsetzte. Während die Rotorblätter allmählich zum Stillstand kamen, stiegen drei Männer aus dem Hubschrauber. Austin runzelte die Stirn. Das war keine Rettungsmannschaft. Alle drei Männer trugen dunkle Anzüge, die unübersehbar die Aufschrift »mittleres Management« zu tragen schienen.
»Das ist mein Vorgesetzter, Monsieur Drouet. Er kommt eigentlich niemals hierher«, sagte Lessard und schaffte es nicht, das ehrfürchtige Staunen in seiner Stimme zu unterdrücken.
Drouet war ein stattlicher Mann mit einem Hercule-Poirot-Schnurrbart. Er kam eilig herüber und fragte mit anklagendem Unterton: »Was geht hier vor, Lessard?«
Während der Kraftwerkschef die Lage erläuterte, schaute Austin auf die Uhr. Die Zeiger schienen geradezu über das Zifferblatt zu fliegen.
»Welche Auswirkungen hat dieser Vorfall auf die Produktion?«, wollte Drouet wissen.
Austins nur mühsam unter Kontrolle gehaltene Wut explodierte. »Sie sollten sich mehr dafür interessieren, welche Auswirkungen der Vorfall auf die Menschen hat, die in diesem Gletscher gefangen sind.«
»Wer sind Sie?«, fragte der Mann. Er erinnerte Austin an die Raupe auf dem Pilz aus
Alice im Wunderland
.
Lessard intervenierte. »Das ist Mr. Austin von der amerikanischen Regierung.«
»Amerikaner?« Austin glaubte zu hören, wie der Mann geringschätzig schnaubte. »Das Ganze hier geht Sie nichts an«, entschied Drouet.
»Da irren Sie sich, es geht mich sehr wohl etwas an«, erwiderte Austin mit ruhiger Stimme, die seinen Zorn tarnte.
»Mein Freund befindet sich in diesem Tunnel.«
Drouet blieb ungerührt. »Ich muss auf Anweisungen von meinem Vorgesetzten warten, nachdem ich ihm Bericht erstattet habe. Sie können mir glauben, dass mir dieser Vorfall auch sehr nahe geht. Ich werde sofort ein Rettungsteam in Marsch setzen lassen.«
»Das ist nicht schnell genug«, sagte Austin. »Wir müssen jetzt, in diesem Moment, etwas unternehmen.«
»Nichtsdestoweniger ist es das Beste, was ich von meiner Seite tun kann. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.«
Damit verschwanden er und die anderen Anzugträger im Kraftwerk. Lessard sah Austin an,
Weitere Kostenlose Bücher