KillerHure
vielleicht muss ich Demut lernen. Normaler werden, menschlicher gewissermaßen. Aber mit Sicherheit gehört es ebenso zum Menschen, seinen Weg gegen alle Widerstände weiterzuverfolgen und nicht aufzugeben.
Ich denke an Bren. Wenn er der Tiger ist, dann bin ich vielleicht ein Pantherweibchen. Schwarz und verstohlen und lautlos im Dschungeldickicht. Nur der eigenen Spur folgend, der eigenen Fährte verpflichtet. Ein Panther versteckt sich bei Gefahr, er lauert auf seine Chance, aber niemals wird er resignieren. Erst wenn ihn die unausweichliche Kugel des Jägers umwirft und sein Blick trübe wird, entspannt er sich und geht auf die Pirsch in der nächsten Welt. Keine Sekunde früher.
Was hat sich verändert?
Ich trete sparsam Wasser und lasse mir den ganzen, verrückten Tag methodisch nochmals durch den Kopf gehen. Der Unfall. Thierry. Natalie. Mein Plan. Sein grandioses Scheitern und sein Erfolg im Scheitern.
Glasklar sehe ich die mögliche Zukunft vor mir. Ich habe keinerlei Zweifel, dass ich Thierry seine Geheimnisse nun entlocken könnte. Ich könnte weitermachen wie geplant, einen Unfall inszenieren, am besten gleich für Natalie mit, um ihr eine Kindheit ganz ohne Eltern zu ersparen. Ich könnte triumphierend zurückkehren zum Colonel und zu Bren, mein Meisterstück abgeliefert, und hoffentlich endlich als vollgültiges Mitglied anerkannt. Der nächste Auftrag. Der nächste Mord.
Aber!
Mein Körper hat mir unmissverständlich mitgeteilt, dass er mit Thierry keinen Sex haben kann.
Was bedeutet, dass ich ihn nicht töten werde.
Das hat sich verändert.
Ich muss lachen und bekomme einen Spritzer Wasser in die Nase. Auf einmal erscheint alles so einfach, so logisch, so stimmig. Ich hatte mich anscheinend schon entschieden, es jedoch noch nicht bemerkt. Wie sagte das Orakel der Matrix zu Neo: »Man kann nicht hinter die Entscheidungen blicken, die man nicht versteht.«
Ich werde diesen Auftrag also nicht ausführen. Thierry wird überleben und Natalie wird ihren Papa behalten. Das fühlt sich gut an. Gut genug, um dafür zu kämpfen.
Mein eigener Weg ist weit weniger klar zu erkennen. Ich spüre aber, dass die Spur weg von meinen bisherigen Jagdgründen führt. Hinauf, hinaus, in eine unbekannte, offene Ebene. Wahrscheinlich wird das dort kein einfaches Umfeld sein für ein Pantherweibchen, vielleicht fällt es sofort auf, schwarzes Fell vor hellem Hintergrund. Aber der Ruf ist ergangen und ich folge ihm in ruhigem Vertrauen.
Mit dieser Erkenntnis flutet das Leben zurück in mich. Winzige elektrisierende Funken fließen durch die Fingerspitzen und die Zehen in meine Nervenbahnen, kitzeln sämtliche Verbindungen wach. Mein Körper erschauert in der reinen Ekstase purer Existenz und ich könnte immer wieder laut »JA!« schreien. Ich werfe mich herum und kraule kraftvoll zurück, orientiere mich an dem winzigen Fixstern, den das Lämpchen oben auf dem Mast der »Clementine« bildet.
»Sarah! Da bist du ja endlich. Ich dachte schon ...«
Thierry wartet nervös auf mich, immer noch nackt, wie ich im schwachen Schein des fast heruntergebrannten Feuers erkenne. Mir ist klar, was ich tun werde. Auch wenn mir nicht klar ist, zu welchem Anteil das ein neuer Plan von mir ist, und zu welchem dies das Folgen eines größeren Pfades darstellt.
»Komm!«, sage ich und ergreife seine Hand. Er lässt sich verdutzt mitziehen, bis ans Feuer. Ich lege meine Hände auf seine Schultern und drücke ihn sanft hinunter. Er lässt es zu, geht in die Knie, legt sich dann auf den Rücken. Sieht erwartungsvoll zu mir auf.
Anmutig wie eine Tänzerin knie ich neben ihm, schmiege mich an ihn, auf ihn. Er ist sicher auch in der Nachtluft ausgekühlt, aber meiner nassen, meeresgewohnten Haut kommt er warm, fast heiß vor.
Ich küsse ihn. Ernsthaft und sanft. Es fühlt sich ein wenig an wie der erste Kuss in meinem Leben. Unvertraut, fast ein wenig stachlig vor Empfindsamkeit, und gleichzeitig unendlich vielversprechend. Der Kuss dauert an, vertieft sich, ein Grundton von Erregung schwingt nun mit. Thierry folgt aufmerksam, passt sich an, geht voll auf mich ein. Seine starken Arme umfassen mich behutsam, er streichelt zärtlich meinen Rücken entlang.
»Thierry, du musst eines wissen«, flüstere ich an seiner Wange und lege ihm schnell drei Finger auf den Mund, als ich spüre, dass er etwas entgegen will, »du bist an nichts schuld! Du hast mich nicht verletzt. Das waren nur alte Dinge. Dinge, die nur mit mir zu tun haben. Nichts
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